Erzherzog Johann hat sich der Nachwelt als entschlossener Erneuerer und Modernisierer eingeprägt, der in einer rückständigen Region Wege für Industriegesellschaft und bürgerliche Öffentlichkeit bahnte. Als Fürst und auch als Unternehmer trieb er die industrielle Revolution in der Steiermark voran: Der politische, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Revoluzzer brach bis hin zu seiner Ehe mit einer Bürgerlichen mit den Voreingenommenheiten und Tabus seiner Zeit. Historiker untersuchen, warum dieses Bild entstanden ist, und welchen Anteil Johann selbst an den Innovationen hatte, die ihm zugeschrieben werden. Mich interessiert hier nicht der historische Erzherzog Johann, sondern die Frage, ob wir uns heute an der Ikone orientieren können, zu der ihn Zeitgenossen und Nachwelt verklärten.

Vorausgesetzt, Fortschritt ließe sich noch verordnen, durch entschlossenes Handeln einer Obrigkeit beschleunigen oder sogar herbeiführen: In welcher Rolle kann man sich einen Menschen vorstellen, der die Steiermark heute entschlossen in die Gegenwart der am meisten entwickelten Regionen oder sogar in die Zukunft katapultieren will? Zu welchen Projekten würde diese Rolle führen? Und in welcher Funktion könnte man die Steiermark am besten umbauen, um sie auf die Umbrüche der unmittelbaren Vergangenheit und der absehbaren Zukunft einzustellen?

Die Frage zu stellen: „Was würde Erzherzog Johann heute tun?“ , wäre dabei wohl zu naiv. Beim besten Willen kann man sich den Erzherzog nicht gut als unseren Zeitgenossen vorstellen. Als Figur des vorletzten Jahrhunderts strahlt er Behäbigkeit aus, auch wenn er im Zeitalter der Revolutionen lebte.

Ohne Naivität lässt sich allerdings wohl keine Zukunftsvision entwickeln. Um einerseits nicht so naiv zu sein, einen „guten Herrscher“ einfach in die Gegenwart zu transportieren, und andererseits genug Naivität zu bewahren, um radikale Alternativen zur steiermärkischen Gegenwart auszumalen, arbeite ich mit einer Fiktion und ersetze die Figur des Erzherzogs durch einen Chief Technology Officer (CTO) der Steiermark. Barack Obama führt diese Funktion, die es bei vielen Firmen gibt, gerade für die Vereinigten Staaten ein und schafft damit ein neuartiges politisches Amt: Nicht einen Minister, der einen Teil der vorhandenen Administration leitet, sondern einen Beauftragten für technischen Wandel.

Der kommende CTO der USA soll sein Land auf die Zukunft vorbereiten, indem er auf allen Ebenen der Politik und der öffentlichen Verwaltung dafür sorgt, dass die Möglichkeiten neuer Technologien ausgeschöpft werden. Auf die hiesigen Verhältnisse übertragen lautet die Frage also: „Was müsste ein CTO der Steiermark tun, damit das Land so gut und so schnell wie möglich in dem Jahrhundert ankommt, in dem es sich der Chronologie nach befindet?“

Ich skizziere hier eine Utopie. Ich beginne ein „längeres Gedankenspiel“. Ich beschäftige mich nicht damit, wie die Ideen, die ich hier formuliere, verwirklicht werden können. Ich gehe aber von der Erfahrung aus, dass gesellschaftliche und technische Entwicklungen oft zu viel radikaleren Veränderungen führen, als sie auch die kühnsten Utopisten antizipieren können. Zu viel Realismus macht blind für die Zukunft.

Fortschritt und Hyperfortschritt

Auch hinsichtlich des Fortschritts nehme ich mir die Freiheit, eine Utopie zu formulieren. Ich setzte voraus, dass die Idee des Fortschritts , die Johann von Österreich für seine Zeit verkörperte, noch aktuell ist. Jeder Fortschritt ist dialektisch; ich beschränke mich auf eine, die positive Seite dieser Dialektik. Mein Ziel ist es, Möglichkeiten zu erkennen und nicht Risiken abzuwägen. Ich frage nur, was ein fiktiver steirischer CTO tun könnte, und nicht, wie ein Regierungsprogramm aussehen müsste.

Allerdings möchte ich auch hier nicht zu naiv sein; der CTO, den ich mir vorstelle, glaubt nicht mehr an eine einsinnigen Fortschritt, also an die lineare Bewegung, die Erzherzog Johann selbst Fortschreiten nannte. Er versteht Fortschritt auch nicht mehr als „Schreiten“, als Vorwärtsgehen in einem überschaubaren, menschlichen Tempo. Für einen CTO, der heute die Steiermark verändern will, hat der Fortschritt andere Eigenschaften. Vielleicht würde er ihn, analog zu „Hypermedium“ und „Hypertext“, als „Hyperfortschritt“ bezeichnen:

  1. Der Fortschritt wird nicht nur schneller, er beschleunigt sich selbst: Der Fortschritt produziert Mittel um Fortschritt zu produzieren – so wie zur Software-Technik die Entwicklung von Techniken gehört, die das Schreiben von Software schneller und effizienter machen. Bei der drahtlosen und der terrestrischen Vernetzung wie bei der Miniaturisierung schafft eine technische Generation die Voraussetzung dafür, dass sie von der nächsten überboten wird: Das Internet via Modem hat die Voraussetzung dafür geschaffen, dass sich das Breitbandinternet durchsetzen konnte, das selbst wieder den Bedarf nach einem noch schnelleren Netz erzeugt.

  2. Die Ergebnisse des Fortschritts lassen sich immer schwerer voraussagen: Je mehr der Fortschritt von der wissenschaftlichen Entwicklung abhängt, desto weniger lässt sich seine Richtung erkennen – es liegt in der Natur wissenschaftlicher Ergebnisse, dass man vorher nicht ausmachen kann, was entdeckt werden wird. Niemand weiß, was in der Gentechnik, der Hirnforschung, dem Quanten-Computing oder der subatomaren Physik in den kommenden Jahrzehnten passieren wird; ziemlich sicher lässt sich aber behaupten, dass die Ergebnisse dieser Disziplinen sehr schnell eingreifende Folgen für Milliarden Menschen haben werden.

  3. Die wechselseitige Abhängigkeit von Entwicklungen auf verschiedenen geografischen, technischen und wirtschaftlichen Gebieten wird immer größer. Eine Region wie die Steiermark wandelt sich zu einer Ansammlung von Knoten in globalen Netzwerken – wobei sich Veränderungen in den globalen Netzen oft schneller und gravierender auswirken als in den lokalen. Diese Abhängigkeit hat als solche positive Folgen: Staaten, die – wie heute die USA und China – wirtschaftlich aneinander gebunden sind, werden kaum Krieg gegeneinander führen; Innovationen lassen sich aus einer wissenschaftlichen Disziplin leicht in andere übertragen. Die Komplexität der Netzwerke ermöglicht andererseits aber zusammen mit der Beschleunigung der Entwicklung auch nichtlineare Prozesse mit katastrophalen Folgen, so die Zerstörung des Klimagleichgewichts der Erde und den Zusammenbruch der globalen Finanzmärkte durch eine Hypothekenkrise in einem Land.

  4. Fortschritt ist mit einem exponentiellen Zuwachs an Daten und ihrer Verknüpfung verbunden. Das vielleicht spektakulärste Beispiel liefert die Humangenetik: In absehbarer Zeit könnte das Genom jedes Menschen in einem Land erschlossen vorliegen – Medizin und Krankheitsprävention werden sich dadurch radikal verändern. Parallel zu den Kapazitäten der Datenerhebung wachsen die Kapazitäten zur Datenentschlüsselung und -verarbeitung: Die Rechner auf der Welt werden vom Prozessor im Mobiltelefon bis zu Großrechnern zu einer Cloud zusammengeschlossen, deren Leistungen überall verfügbar sind.

Wenn diese Hypothesen über den Fortschritt zutreffen, dann braucht die Steiermark mehr als nur einen CTO, um sich auf das wachsende Innovationstempo und den Veränderungsdruck in den kommenden Jahren einzustellen – anders als in den Zeiten des Erzherzog Johann wird dieser Druck aber aus verschiedenen Richtungen erfolgen, und es steht nicht fest, dass sich diese Richtungen dauerhaft miteinander versöhnen lassen.

Das Web als Wissensmedium

Die Stichwörter für das Programm eines steirischen CTO sind „Wissen“ und „Web“. Wissen ist die wichtigste Voraussetzung dafür, mit unterschiedlichen, disruptiven und voneinander abhängigen Fortschritten umzugehen – Wissen verstanden nicht als Informiertheit (die ist nur noch partiell möglich), sondern als Voraussetzung dafür, abgestimmt mit anderen handeln zu können und sich durch weitere Informationen korrigieren zu lassen. Die zentrale Aufgabe des steirischen CTO wird deshalb darin bestehen, Wissenstechnologien für die Region so gut wie möglich nutzbar zu machen.

Als Medium für ein Wissen, dass dem „Hyperfortschritt“ adäquat ist, hat sich in den vergangenen 15 Jahren das World Wide Web entwickelt – zugleich technische Infrastruktur, Kommunikationsinstrument und Organisationsplattform. Das WWW ist ein in Echtzeit arbeitendes System, um Informationen auszutauschen, zu verknüpfen und zu speichern. Das Web revolutioniert sich selbst permanent, ist offen ist für neue oder alternative Strukturierungen des Wissens, lässt sich von jedem Punkt der Erde gleich erreichen, basiert auf Daten und erlaubt es, außerhalb und innerhalb des Web erzeugte Daten weiterzuverarbeiten.

Heute muss ein CTO als radikaler Innovator nicht vor allem die industrielle und landwirtschaftliche Produktion entwickeln wie seinerzeit der Erzherzog Johann. Er wird sich noch mehr als der Erzherzog um das Wissen kümmern, welches die eigentliche Ressource einer Region darstellt. Und wenn er so revolutionär agiert wie der Erzherzog Johann, wird er nicht die überkommenen Strukturen langsam modernisieren, um Schritt mit anderen Regionen zu halten, sondern er wird Strukturen schaffen, die den wichtigsten Forderungen der Gegenwart entsprechen. Er wird also nicht einfach fragen: „Wie können wir die Institutionen verändern, um sie zu erhalten?“, sondern: „Welche Einrichtungen müssen wir ins Leben rufen, um die aktuellen Möglichkeiten zu nutzen?

Das Web macht Information und Wissen von Orten unabhängig. Wissen ist überall und jederzeit verfügbar. Digitale Dokumente und Medien, die an die Stelle der Bücher, Zeitungen und Akten treten, können von jedem Ort aus abgerufen und verändert werden. Vielleicht noch wichtiger: Die Menschen, die Wissen erzeugen, austauschen und weitergeben, stehen im Web über mehrere Kanäle und potenziell permanent miteinander in Verbindung.

Das Ziel des CTOs einer Region besteht darin, den Bewohnern den Zugang zu Wissen und Kultur der Gegenwart und damit zum Web so leicht wie möglich zu machen. Technisch sind Inhalte im Web von jedem Ort auf der Erde aus in derselben Weise erreichbar. Aber die Voraussetzungen für diesen Zugang sind unterschiedlich. Und es gibt große Unterschiede dabei, wie man dieses Wissen fruchtbar macht, wie man es als Region ausnutzt.

Der CTO kann die Steiermark nur dann zu einer Region zu machen, in der alle Möglichkeiten zum Wissensausbau und -austausch genutzt werden, wenn das Land seine eigene Weiterentwicklung wissensbasiert organisiert. Seine Aufgabe lässt sich mit den Schlagwörtern „Information und Offenheit“, „Vernetzung“ und „Integration“ charakterisieren:

Information und Offenheit: Es gilt, dafür zu sorgen, dass alle Entscheidungen in Politik und Verwaltung auf der Basis der bestmöglichen Informationen getroffen werden, dass diese Informationen allen zur Verfügung stehen, und dass die Personen, die betroffen sind und sich am besten auskennen, Entscheidungen vorbereiten.

Vernetzung: Es gilt, dafür zu sorgen, dass das Wissen, das in der Steiermark vorhanden ist und entwickelt wird, miteinander verbunden wird, von den Universitäten bis hin zu den Grundschulen und Kindergärten.

Integration: Es gilt, dem digital divide entgegenzuarbeiten, dafür zu sorgen, dass alle Einwohnerinnen so guten Zugang wie möglich zum Web und den Möglichkeiten haben, die es bietet.

Online-Community Steiermark

Wie kann eine Region, ein österreichisches Bundesland, die Möglichkeiten des Web konsequent ausnutzen? Die zentrale Idee ist einfach: Das Wissen, das in der und über die Region verfügbar ist, auch allen in der Region (und darüber hinaus) zur Verfügung stellen und die Bewohner zugleich eng miteinander vernetzen. Das bedeutet, die Art und Weise, wie das Land regiert und verwaltet wird, zu verändern. Dazu gehört es, die Frage zu stellen, wie man die Verwaltung einer Region organisieren würde, wenn man damit heute beginnen könnte und nicht schon an die überkommene räumliche und hierarchische Struktur gebunden wäre. Wenn es die jetzigen Strukturen in der Landesregierung und der Verwaltung nicht gäbe – würde man sie im Zeitalter des Web so erfinden? Oder hält man nur an ihnen fest, weil man sie gewohnt ist, weil der Einfluss der mit Macht Ausgestatteten von diesen Strukturen abhängt? Auch wenn sich die Details noch nicht absehen lassen: Die Steiermark muss sich im Zeitalter des WWW politisch als Online-Community organisieren und sich an den Regeln orientieren, die sich in den Wissens-Communities des Web herausgebildet und bewährt haben.

Wissen (und Macht) sind in der Steiermark (natürlich nicht nur hier) bisher an den schwierigen und oft exklusiven Zugang zu Personen und Dokumenten gebunden, die physikalisch an einem Ort vorhanden sind – von den Akten der Verwaltung und den damit befassten Personen bis zu den wissenschaftlichen Werken in der Universitätsbibliothek und den Lehrenden an den Hochschulen. Diese alten Strukturen bewahren Elemente, die sich in der österreichischen Tradition in einer spezifischen Weise verfestigt haben: die Macht der Beamten, den Einfluss der Politik, die Scheu vor der Öffentlichkeit, die Verwechslung von Diskussionen mit persönlichen Konflikten und die Hoffnung, dass einem andere Stellungnahmen und Entscheidungen abnehmen.

Über drei Schlüsselgebiete lässt sich eine neue Wissenskultur einführen; vor allem über sie kann ein CTO die Innovationsfähigkeit bei allen anderen Themen beeinflussen: Verwaltung und Politik, Wissen und Bildung und Kommunikation zwischen den Bürgern. Drei Plattformen, drei Netzwerke sollte der CTO anregen und aufbauen – als Organe und Instrumente einer demokratischen und offenen Community im Zeitalter des Web1:

partizipation.steiermark.at : eine Plattform für die Information, Diskussion und Mitbestimmung der Bürger bei allen politischen und Verwaltungsentscheidungen.

wissen.steiermark.at: ein Netzwerk aller Bildungs- und Weiterbildungseinrichtungen, welches das Wissen, das in der Steiermark vorhanden ist, allen Menschen im Land und darüber hinaus im ganzen WWW zugänglich macht.

buergerinnen.steiermark.at: ein Netzwerk, in dem Steirerinnen und Steirer kommunizieren und Projekte entwickeln können.

Diese Netzwerke sind „Web 2.0“-Plattformen. Sie dienen dazu, kollektive Intelligenz zu entwickeln. Sie werden besser, je mehr Menschen sich an ihnen beteiligen.

partizipation.steiermark.at – Politik und Verwaltung

Merkwürdigerweise ist die Revolution, die das Internet bedeutet, an unseren politischen Institutionen – von der Verwaltung bis zu den Parteien – fast spurlos vorübergegangen. Das Internet wird genutzt, aber es wird genutzt, um Dinge zu tun, die man auch ohne Internet getan hat. Die politischen Prozesse haben sich nicht verändert, Entscheidungen werden so gefällt wie bisher. Auch die Schulen und die Universitäten arbeiten noch fast genauso wie in der Zeit vor dem Netz.

Die Steiermark ist formal ein demokratisches Land, das tatsächlich von einer sehr kleinen Gruppe einflussreicher Personen geführt wird. Die Mächtigen haben nicht selten mehrere Ämter, kennen sich oft schon Jahrzehnte aus Netzwerken und sind von Parteien abhängig. Von diesen Parteien ist zumindest eine noch stolz auf ihre bündische Struktur. Politik besteht zu einem nicht geringen Teil darin, seine Klientel mit Mitteln zu versorgen. Wie kurios es ist, dass ein schwarzer Landesrat die schwarzen Gemeinden und ein roter Landesrat die roten Gemeinden versorgt, wird nicht einmal wahrgenommen.

Die Mitglieder der Funktionseliten ertragen nur wenig Konkurrenz. Eine Proporzregelung, die nie ernsthaft in Frage gestellt wird, sorgt dafür, dass sich die Verhältnisse nicht grundlegend ändern.

Neben, hinter und gelegentlich auch über den Politikern regieren Beamte – und oft sind die Politiker selbst Beamte. Beamte und Abhängige mit Parteizugehörigkeit kontrollieren die Landesgesellschaften. Beschreibt man die Strukturen nüchtern und von außen, erkennt man die Geheimgesellschaften archaischer, vormoderner Kulturen wieder.

Charakteristisch sind nicht nur die persönlichen Verpflichtungen und Abhängigkeiten. Zu den bündischen Strukturen gehört auch, dass nur weniges offen diskutiert wird. Die Öffentlichkeit wird gefürchtet, auch wenn nur weniges tatsächlich geheim bleibt.

Die Partizipationsplattform ist nicht nur eine Ergänzung zu den bestehenden Institutionen. Sie ist eine eigene politische Institution zur Information, Diskussion und Entscheidung – was nicht bedeutet, dass auf ihr allein entschieden wird.

Inhalte der Plattform sind alle offenen politischen und administrativen Vorgänge und sämtliche dazu gehörenden Informationen, so weit sie nicht aus Daten- oder Personenschutzgründen vertraulich bleiben müssen. Es gehört zu den Aufgaben des CTO sicherzustellen, dass der Daten- und Personenschutz nicht als Vorwand benutzt wird, um Vorgänge undurchsichtig zu halten.

Auf der Plattform können die Bürgerinnen kommentieren und diskutieren. Sie können – wie in der Wikipedia – zusätzliche Informationen ergänzen und neue Seiten anlegen. Die Bürgerinnen und Bürger kontrollieren über diese Plattform politische Entscheidungen, sie definieren die politische Agenda und sie tauschen die relevanten Informationen aus.

Entscheidungsvorbereitung: Transparenz herzustellen ist hier eine der ersten Aufgaben des CTO, der Transparenz dient vor allem die Partizipationsplattform. Wer was kontrolliert, wer in welchem Gremium sitzt, muss für alle Bürger sofort erkennbar sein. Dazu gehört auch eine Datenbank, welche die Mitgliedschaften und Funktionen aller Personen in öffentlichen Positionen erfasst.

Viel wichtiger aber ist, dass Sachentscheidungen von den Machtspielen einer kleinen Gruppe politisch eingefärbter Funktionäre abgekoppelt werden. Die Bürger, die bezahlen, die Betroffenen, welche die Folgen tragen, und die Fachleute, die über die größte Sachkenntnis verfügen, müssen offen und für alle nachvollziehbar diskutieren können, ob z.B. ein Wasserkraftwerk in den Murauen gebaut wird oder welche Schwerpunkte die landeseigene Fachhochschule haben soll. Der CTO muss mit der Partizipationsplattform die Basis dafür schaffen, dass diese Teilnahme wirklich wird. Dazu gehören Wikis, in denen alle Argumente und Fakten publiziert und besprochen werden können – und die auch Aufschluss darüber geben, welche Interessen die diskutierenden und die entscheidenden Personen vertreten. Soll der CTO damit die repräsentative Demokratie aushebeln? Nein: Entscheidungen müssen nach Regeln getroffen werden, die sicherstellen, dass nicht Zufallsergebnisse zustande kommen. Aber es gibt Möglichkeiten genug, die Entscheidungen vorzubereiten, und es gibt auch Möglichkeiten, einen Konsens zu finden, an dem sich die politischen Entscheider orientieren können – z.B. das Prinzip, dass 90% der registrierten Benutzers eines Wikis eine Formulierung akzeptieren müssen.

Auch jetzt werden Fachleute und Berater beauftragt, Entscheidungen vorzubereiten. Die Öffentlichkeit erfährt aber nur selten bis nie, warum sie ausgewählt werden. Alte Verpflichtungen geben auch hier oft den Ausschlag, nicht selten wird das Ergebnis vereinbart, bevor die Beratung beginnt.

Vorschläge für die politische Agenda: Wikis unterstützen die Entscheidungsfindung bei Problemen, die schon auf der politischen Tagesordnung stehen. Aber welcher Probleme soll sich die Regierung überhaupt vorrangig annehmen? Crowdsourcing -Tools müssen den Bürgern die Stimme und die Macht geben, die Prioritäten der Regierung zu bestimmen. Der amerikanische Präsident erfährt schon heute in einem täglichen Briefing, welche Anliegen die US-Bürger vor allem haben.

Webbasierte Diskussionen und Entscheidungen ersetzen das Parlament nicht. Sie sind die Alternative zum Aktenvorgang und zum Büro bzw. dem Kaffeehaus-Hinterstüberl. In Unternehmen und Instituten haben sie sich längst etabliert.

Projekt- und Forschungsförderung: Forschungsförderung funktioniert im Augenblick zwangsläufig sehr bürokratisch und umständlich. Für die Personen, die entscheiden, ist es sehr schwer zu erkennen, was förderungswürdig ist und was nicht. Wie auf vielen Gebieten der Regierungstätigkeit wäre hier mehr Transparenz hilfreich. Dazu wäre es aber auch nötig, die Vergabe von Mitteln zu beschleunigen und etwa zu arbeiten wie die „Seedcamps“, die Venture-Kapital an innovative Firmen weitergeben. Man bewirbt sich in einem offenen Wettbewerb; Bewerber erhalten Feedback und können Fragen beantworten, Entscheidungen fallen sofort. Sicher ist so etwas nur ganz eingeschränkt auf regionaler Ebene allein möglich; aber schon ein oder zwei Förderprogramme, die so funktionieren, könnten eine wichtige Hilfe darstellen.

wissen.steiermark.at – eine regionale Bildungsplattform

Neben Bio-, Holz- und Autocluster braucht die Steiermark auch einen Hochschul- oder besser: einen Bildungscluster. So wie Erzherzog Johann im Joanneum eine Einrichtung für die Speicherung und den Austausch auf verschiedensten Feldern des Wissens schuf, so lassen sich die Bildungseinrichtungen heute virtuell vernetzen. Die Hochschulen, aber auch die Schulen, Weiterbildungseinrichtungen und die anderen Bildungseinrichtungen müssen ihre Inhalte online anbieten und sie damit den Steirern – natürlich auch Menschen jenseits der Landesgrenzen – und vor allem den Schülern und Studierenden zur Verfügung stellen, unabhängig davon, welche Ausbildungseinrichtung sie besuchen. Unterschiede sollen nicht eingeebnet werden, sondern das Wissen soll vergrößert werden, indem man mehr miteinander kommuniziert. Öffentliche Vorlesungen – und es können heute alle Vorlesungen öffentlich sein – nutzen nicht nur denen, die ihnen live oder asynchron zuhören, von der Öffentlichkeit dürften auch die Studierenden profitieren, deren Lehrende sich mehr anstrengen werden, wenn ihre Arbeit im Internet publiziert wird.

Die steirischen Hochschulen haben eLearning-communities oder einen virtuellen Campus, aber sie arbeiten dabei bisher nicht zusammen.

wissen.steiermark.at erschließt für jeden, der sich bilden, weiterbilden oder ausbilden will, die Angebote, die es in der Steiermark gibt. Es soll dazu beitragen, dass möglichst viel Wissen, das im Auftrag der Öffentlichkeit erarbeitet wird, auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist.

Auf dieser Plattform sollen alle Lehrinhalte – von Vorlesungen bis zu wissenschaftlichen Arbeiten – verfügbar sein. Integriert sind alle Inhalte von öffentlichen Museen, Sammlungen und Archiven. Wo immer möglich, erlauben Creative Commons-Lizenzen den Bürgern die Nutzung der Inhalte, die von ihnen finanziert werden oder ihnen gehören.

Über die Plattform ist es möglich, Kontakt zu den Lehrenden und Wissenschaftlern aufzunehmen. Es können Gruppen eingerichtet und virtuelle Seminare durchgeführt werden.

Natürlich ist diese Form der Vernetzung als solche ortsunabhängig. Im Internet ist die Karl-Franzens-Universität der FH Joanneum so nahe wie der University of California. Innerhalb der Steiermark können sich aber die virtuelle und die reale Vernetzung ergänzen – es ist leicht, die Menschen zu treffen, denen man im WWW von seinem Rechner aus folgt, und man wird vielen folgen, die man im realen Leben trifft. Die Steiermark hat eine derartige Größe und bei Hochschulen, Gymnasien, HWLs und HTLs eine derartige Stuktur, dass sich die Einrichtungen sehr gut ergänzen können; viele von ihnen sind die einzigen Anbieter ihrer Art.

Der CTO sollte aber nicht nur helfen, Inhalte online erreichbar zu machen, die ohnehin produziert werden – von Vorlesungen bis zu Dissertationen. Er sollte die Schule und Universitäten auch dabei unterstützen, neue, webtypische Formen der Wissensvermittlung zu verwenden, also Blogs, Podcasts, Wikis und soziale Netzwerke.

buergerinnen.steiermark.at – ein soziales Netzwerk für die Region

buergerinnen.steiermark.at vernetzt die Menschen die in der Steiermark wohnen, miteinander. Die Plattform erleichtert es ihnen, mit Menschen in der Region Kontakt aufzunehmen, zu kommunizieren und gemeinsame Projekte zu entwickeln.

Social networks gehören schon zum Alltag der meisten Jugendlichen; über meinVZ, facebook oder Myspace halten sie mit ihren Freunden Verbindung. Sie tauschen Medien und Informationen aus und bilden Gruppen, um gemeinsame Interessen zu verfolgen oder einfach nur Spaß zu haben.

Soziale Netze haben ein paar Grundfunktionen:

  1. Man kann Profile in ihnen anlegen.

  2. Man kann Beziehungen in ihnen pflegen Freunde definieren und neue Freunde finden; die Freunde können die Aktivitäten ihrer Freunde verfolgen.

  3. Man kann sich in ihnen organisieren und Gruppen bilden.

Diese Grundfunktionen werden von jedem der vorhandenen sozialen Netze angeboten. Die Zukunft auf diesem Gebiet wird nicht darin bestehen, dass neue oder mehr dieser geschlossenen sozialen Netze entstehen, sondern darin, dass sich diese Netzwerke untereinander verbinden, dass man z.B. auf ein Profil auch in einem anderen sozialen Netz verweisen kann. Eine Aufgabe des steirischen CTOs besteht darin herauszufinden, wie die Menschen in der Region die vorhandenen sozialen Netze verwenden können, um miteinander besser in Kontakt zu kommen, wenn sie es brauchen. Wer in Leoben wohnt und sich für digitale Fotografie interessiert, findet so z.B. Gleichgesinnte in der Obersteiermark.

Ein Bürgerinnennetz ist das digitale Gegenstück zu den Verkehrswegen, die in der Epoche Erzherzog Johanns angelegt worden sind. In diesem Fall geht es aber nicht darum. die Verbindungen selbst herzustellen, denn die sind durch das Internet bereits gegeben. Es geht nicht um die Eisenbahnlinien, sondern um die Züge, die auf ihnen verkehren. Sie müssen die Menschen möglichst einfach in Verbindung mit Menschen in der Region bringen, die ihnen helfen können: Junge Eltern mit potenziellen Babysittern, ältere Leute mit Kindern, die etwas vorgelesen bekommen wollen, Schüler mit Studenten, die ihnen Nachhilfe geben können, Bergwanderer mit Gleichgesinnten, die eine bestimmte Tour machen wollen.

Um eine öffentliche Aufgabe handelt es sich dabei, weil die Verbindung in solchen Netzen enorme Möglichkeiten für die Mitglieder mit sich bringt. Sie haben ähnliche Aufgaben wie die bürgerlichen Vereine des 19. Jahrhunderts, die Erzherzog Johann förderte und für die Modernisierung brauchte. Es geht darum, die Vernetzung attraktiv zu machen und lokal sinnvoll zu nutzen. Vielleicht genügt es dazu, dass entsprechende Gruppen z.B. auf facebook eingerichtet werden, ergänzt durch Applikationen. Vielleicht ist es aber auch nötig, ein eigenes soziales Netzwerk einzurichten, das für Menschen attraktiv ist, die ihre persönlichen Informationen nicht kommerziellen Netzen zur Verfügung stellen wollen. Dieses Netz könnte dann auch weitere Grundfunktionen übernehmen, z.B. die Bereitstellung einer digitalen Identität, mit der man sich überall im Netz anmelden kann.

In diesem steirischen sozialen Netz könnte sich auch das digitale Gegenstück zu Vereinen und Interessenvertretungen entwickeln. Man könnte dort die Informationen und Termine austauschen und virtuelle Treffen abhalten. Es würde sich um eine Kommunikationsplattform für alle Interessen handeln, die nicht unmittelbar politisch sind.

Hier wie auch bei anderen regionalen Netzen ist die Mobilität ein entscheidender Faktor. Ein solches Netzwerk würde wahrscheinlich mehr mit Mobiltelefonen als mit Desktop- und Laptop-Computern genutzt werden. Es würde deshalb auch auf lokale Daten zurückgreifen, also z.B. relevante Personen in der Nähe zeigen.

Kulturwandel

Letztlich wird nicht ein CTO die Steiermark in die Wissensgesellschaft führen. Sicher lässt sich die Steiermark nicht technokratisch ins Web-Zeitalter bringen. Zur Nutzung des Web gehört eine bestimmte Kultur. Sie hat sich im Internet langsam entwickelt. Die Kultur muss sich auch in der Region wandeln, wenn vorhandene Technik die Entwicklung des Landes beschleunigen soll. Der Geist des Web 2.0 muss ein Land erfassen, dessen Mächtige die Geheimnisse lieben – wenn sie sie auch selten wahren. Die wichtigste Aufgabe des CTO wäre gar keine technische. Seine wichtigste Aufgabe bestünde darin, eine Kultur anzuregen, welche die Möglichkeiten einer bereits vorhandenen Technik nutzt.

Der CTO ist also auf das angewiesen, was man „Change Management“ oder „Innovationsmanagement“ nennt. Change Management ist nicht mehr nur auf der Ebene einer Firma oder Organisation erforderlich, sondern auf der Ebene einer ganzen Region.

Integration: Eine der ersten Aufgaben des CTOs muss darin bestehen, so vielen Menschen wie möglich den bestmöglichen Zugang zum Web zu verschaffen. Dabei geht es nicht darum mit anderen Regionen mitzuziehen und nicht hinter anderen zurückzubleiben, sondern anderen voraus zu sein und alle Möglichkeiten des Web zu nutzen.

Media Literacy: Dass viele Menschen sich nur wenig bzw. sehr ungeschickt im Web bewegen, liegt nicht so sehr daran, dass ihnen das Geld für entsprechende Hardware fehlt. Den meisten fehlt das Wissen für den Umgang mit dem Web. Hier, aber nicht nur hier, ist eine Bildungsinitiative nötig. Sie ist eine Voraussetzung dafür, dass der größte Teil der Bevölkerung das Web, und damit überhaupt aktuelle Medien, kompetent nutzt.

Ich habe hier sehr unterschiedliche Gebiete berührt – von der Politik bis zu den Museen. Sie hängen alle miteinander zusammen, weil sie wissensintensiv sind und sich durch Vernetzung radikal verändern können. Überall geht es darum, Offenheit herzustellen und vorhandenes Wissen auszuschöpfen, bzw. das vorhandene Wissen so gut wie möglich zur Geltung kommen zu lassen. Das ist nur durch die Ortsungebundenheit und direkte Zugänglichkeit des Wissens möglich, zu der das Web geführt hat. Experten werden nicht überflüssig, aber die Expertise ist im Web nicht mehr nur die Sache von Fachleuten.

Letztes Update des Texts: 23.2.2009.

Die Kleine Zeitung hat zum ersten Mal einen der längeren Artikel Ernst Sittingers über die FH Joanneum in ihre Online-Ausgabe aufgenommen: Fachhochschul-Wirbel: Rektor zwischen Fronten. Damit ist er nicht nur dauerhaft öffentlich zugänglich archiviert, sondern auch verlinkbar und online diskutierbar. Allerdings sind Kommentare in der Kleinen selbst auf 1000 Zeichen beschränkt.

Kaum einem steirischen Politikern und auch nur wenigen an unserer Hochschule dürfte bewusst sein, dass durch Online-Publikationen eine neue Form der öffentlichen Diskussion möglich wird, die nicht von dem leicht kontrollierbaren Zugang zu dem beschränkten Platz in der gedruckten Zeitung abhängig ist. Leider machen die Betroffenen davon kaum Gebrauch. Wie ungewohnt diese Form der Öffentlichkeit ist, zeigen Kommentierer, die bedauern, dass die Diskussion überhaupt öffentlich geführt wird. Dabei demonstriert der Inhalt des Artikels, wie wichtig Öffentlichkeit wäre, damit Entscheidungen (in diesem Fall immerhin über eine der größten österreichischen Fachhochschulen) transparent und sachgerecht getroffen werden:

Ernst Sittinger hat die für die FH zuständige steirische Landesrätin Bettina Vollath zu einem fünfseitigen Brief befragt, den der Rektor der FH […] an den österreichischen Fachhochschulrat geschrieben hat, und in dem er die Unhaltbarkeit seiner eigenen Position (einerseits gewählter Vertreter des FH Kollegiums, andererseits weisungsgebundener Geschäftsführer) erläutert (Details im Artikel Ernst Sittingers). Die Antworten der Landesrätin sind ein Musterbeispiel für den politischen Versuch, Verantwortung zu verschieben, Sprachregelungen vorzunehmen und dabei auch wahrheitswidrige Behauptungen nicht zu scheuen. Der Rektor hat sehr wohl versucht, vor seinem Brief ein Gespräch mit der Landesrätin zu führen; ein Termin mit ihrem Referenten fand statt. Grund für den Schlamassel an der FH ist nicht eine unklare Rechtslage (GmbH-Recht versus Fachhochschulrecht), sondern der Unwille der Landesregierung und des FH-Aufsichtsrats, Forschung und Lehre an der FH Joanneum auch nur ein Minimum an Selbstbestimmung zuzuerkennen. Man möchte die FH nach außen mit dem Titel Hochschule schmücken und verwendet nach innen die GmbH-Strukturen, um die FH wie einen bürokratisierten Staatsbetrieb zu führen. Da lässt sich dann zum Beispiel Kritikern leicht mit der Keule des betriebsschädigenden Verhaltens drohen.

Die FH Joanneum ist eine aus öffentlichen Mitteln finanzierte Hochschule (wobei in Österreich übrigens der Bund 90% der Kosten jedes Studienplatzes deckt und die Kommunen die FH-Infrastruktur stellen; das Land, das die die FH kontrolliert, finanziert sie nur zu einem kleinen Teil). Es gibt keinen Gund dafür, dass Prozesse an einer solchen Institution nicht auch öffentlich diskutiert werden — wie sollen die Wähler sonst bei den nächsten Wahlen beurteilen, wie die Politiker mit ihren Mandaten umgegangen sind? Die tröpfelnde Diskussion über Ernst Sittingers Artikel zeigt, wie zögernd die neuen Formen der Öffentlichkeit, die das Web bietet, auf der regionalen und lokale Ebene angenommen werden. Aber sie ist ein Signal dafür, dass man politischen Sprachregelungen sofort und auf derselben Plattform widersprechen kann.

(Anmerkung, 13.4.2010: An der mit Auslassungszeichen versehenen Stelle wurde ein Name entfernt.)

Seit dem Mittwoch der vorletzten Woche habe ich mich hier fast nur mit FH-Themen beschäftigt. Wie andere Kollegen bin ich in dieser Zeit energisch dafür eingetreten, dass der Studiengang, an dem ich beschäftigt bin, in Graz bleibt. Wir haben schneller als erwartet erreicht, dass die Umzugspläne, die rein politische Gründe hatten, zurückgenommen wurden. Am Donnerstag hat das FH-Kollegium (dem ich angehöre) entschieden, die Weiterentwicklung von Studien- und Standortkonzepten in einem echten partizipativen Prozess des Kollegiums und der zuständigen Organe der FH JOANNEUM selbst voranzutreiben. Damit nehmen die FH-Professoren und -Studenten die Hochschulautonomie, die ihnen formal vor einigen Monaten zugesichert wurde, zum ersten Mal auch tatsächlich wahr.

Ich kann mich hier also endlich wieder mit anderen Themen beschäftigen. Heute und vielleicht auch in den kommenden Tagen möchte ich aber doch noch ein paar Gedanken und Ideen zu den Auseinandersetzungen der letzten Tage notieren. Sie betreffen die politische Situation der Hochschule, die Rolle der Öffentlichkeit in dem Konflikt und die Funktion der verschiendenen Kommunikationsmedien. Ich bitte Leser, denen die FH Joanneum etwas ferner steht, um Verständnis und Weiterlesen in anderen Beiträgen.

Stadt Graz als Gegengewicht zum Land

Zum politischen Kontext: Die Stadt Graz will ihre Einflussmöglichkeiten auf die FH Joanneum in Zukunft wahrnehmen — hoffentlich nicht eine weitere Politisierung auf einem Gebiet, auf dem Entpolitisierung und Unabhängigkeit von der politisch agierenden Landesverwaltung notwendig ist! Für die Medien- und Designstudiengänge, die in den strategischen Konzepten der Landesregierung keinen Platz hatten, bedeutet das eine Stärkung. Unterschiedliche Stimmen auf der Seite des Erhalters werden die FH-eigenen Gremien eher stärken als schwächen.

Bruch mit der johanneischen Mentalität

Wenn ich die Botschaft der vergangenen Woche in einem Satz zusammenfassen müsste, würde er lauten: Politiker und Bürokraten — lasst die Hochschule in Ruhe! Ein Kollege, den ich sehr schätze, hat in der vergangenen Woche davon gesprochen, dass die Steiermark endlich mit der johanneischen Mentalität brechen müsse, die die Demokratie hier noch immer behindere. Die Entscheidungswege seien nach wie vor feudal. Nach wie vor sei eingewurzelt, dass es die oben und die unten gibt, diejenigen die wissen und entscheiden dürfen, und diejenigen, die ruhig bleiben, wenn über sie verfügt wird. (Ob man diese Mentalität tatsächlich dem Erzherzog Johann anlasten muss?)

Mit der landeseigenen Hochschule wurde genau nach diesen johanneischen Prinzipien verfahren: Politik und Verwaltung wissen, was für die Hochschule gut ist, definieren in kleinsten Kreisen strategische Ziele und setzen diese dann mit dem Recht des Eigentümers um. Tatsächlich wird die FH Joanneum immer wieder als Landesbesitz bezeichnet. Dabei befindet sich lediglich die Betreibergesellschaft, der so genannte Erhalter der Fachhochschulstudiengänge, im Landeseigentum; die Fachhochschulstudiengänge selbst und die Fachhochschule als ganze sind autonom; sie lassen sich nicht adäquat als Besitz und schon gar nicht als Besitz des Landes beschreiben. Das Land bzw. die ihm gehörende Gesellschaft kann sich weigern, die Studiengänge über die bereits zugesagten Fristen hinaus zu finanzieren, es kann sie aber nicht im Sinne eines Unternehmens führen. Privatrechtliche Betreibergesellschaften wie bei der FH Joanneum sind in Österreich nur zugelassen, soweit deren Unternehmensgegenstand überwiegend die Errichtung, Erhaltung und der Betrieb von Fachhochschul-Studiengängen ist. Das heisst doch wohl: Sie dienen im Wesentlichen bildungspolitischen und nicht z.B. regionalpolitischen Zielen.

Zielvorgaben statt politischer Einmischung

Ich hoffe, dass der mediale und politische Sturm der vergangenen Wochen allen gezeigt hat, dass Politik und Verwaltung überfordert sind, wenn sie sich inhaltlich in die Entwicklung von Hochschulen einschalten. Die inhaltlichen Fragen sollten von den hochschulischen Gremien beantwortet werden, die dazu vorgesehen sind. Land und Kontrollgremien sollten nicht mitgestalten, sondern Ziele und Kriterien definieren, die für jeden nachvollziehbar sind und die Interessen der Wähler in Vorgaben für die FH übersetzen. Wenn die Politiker die Lektion, die ihnen Studenten, Lehrende und Medien erteilt haben, begreifen, können sich endlich alle Interessierten und Sachkundigen an spannenden — und hoffentlich öffentlichen — Diskussionen über die Zukunft der FH Joanneum beteiligen.