Warum sollte man sein Blog auf einem eigenen Server betreiben? Ich siedele mit meinem Blog gerade um, und ich freue mich über die neue Unabhängigkeit.
Ich beschäftige mich schon seit Monaten immer wieder damit, mein Blog von Typepad zu WordPress und zu einer eigenen Domain umzusiedeln. Ich habe zwei Gründe dafür: Ich kann selbst ausloten, wie unabhängig man tatsächlich im Web publizieren kann und was man dazu wissen muss. Und ich kann auf einem eigenen Server sehr viel mehr ausprobieren als bei einem gehosteten Blog.
Ich bin mit der Umsiedlung noch lange nicht fertig. Aber ich bin jetzt hoffentlich so weit, dass in dem neuen statt dem alten Blog weiterschreiben kann.
Dieses ist das erste Post, dass ich nur unter dem URI https://wittenbrink.net/lostandfound veröffentliche. Das alte Blog unter http://heinz.typepad.com werde ich noch einige Zeit laufen lassen, damit Links auf dieses Blog nicht ins Leere gehen. Bei Suchmaschinen soll aber nur noch das neue Blog indiziert werden, damit es keinen duplicate content gibt. Die Posts habe ich importiert (einige Seiten und Bilder fehlen noch). In die Templates des alten Blogs werde ich ein kleines Script einbauen, das mein Sohn David geschrieben hat und das von jedem einzelnen Post einen Redirect auf die neue Version besorgt.
Einen Teil der Probleme, die ich beim Transfer des Blogs habe, habe ich mir dadurch eingebrockt, dass ich den Adressraum des bisherigen Blogs und die Konfiguration des Webservers nicht kontrolliere. Hätte ich es gleich unter der Domain wittenbrink.net publiziert, müsste ich nur das darunter liegende Content Management-System austauschen.
Damit bin ich bei dem Thema angekommen, um das es mir bei dem Umzug vor allem geht: Kontrolle und Unabhängigkeit. Ein Blog auf einem eigenen Server mit einer eigenen Domain zu betreiben und dabei ein komplett offenes Content Management System zu verwenden, hat vor allem den Vorteil, dass man den gesamten Publishing-Prozess und sein Resultat kontrollieren kann. Ich versuche meinen Studenten klarzumachen, wie wichtig diese Unabhängigkeit ist. Wenn ich meine eigene Website so unabhängig wie möglich betreibe, kann ich ausloten, wie weit man sich als Publizist Kontrollmechanismen entziehen kann und was man dazu wissen muss. Mein persönliches Interesse ist dabei eher akademisch: Ich befürchte nicht, dass mich in absehbarer Zeit Firmen oder Institutionen daran hindern werden, zu veröffentlichen, was ich will. Für Journalisten oder Kommunikatoren kann es aber tatsächlich lebenswichtig werden, dass sie ihre Produktionsmittel kontrollieren. Ich kann ihnen das nur beibringen, wenn ich die Möglichkeiten kenne, sich staatlicher oder wirtschaftlicher Kontrolle zu entziehen.
Es geht dabei nicht nur um die harten Fälle der Unterdrückung von Informationen, wie sie die Maßnahmen gegen Julian Aussange und den Informanten Bradley Manning repräsentieren. Es geht auch um die weichen Formen der Kontrolle, die die großen Social Networks ausüben. Ob meine Tweets nicht nur bei Twitter selbst publiziert werden, sondern z.B. auch bei LinkedIn, entscheide nicht ich, das entscheidet Twitter. Wenn ich als Publizist nicht selbst einen Server kontrolliere, kann ich nie sicher sein, ob und wo meine Inhalte tatsächlich an die Öffentlichkeit kommen. Das ist nicht besser als die Situation eines Autors, der seine Rechte an einen Verlag abgibt und nachher darum bitten muss, die eigenen Texte wiederabdrucken zu dürfen. Dave Winer appelliert: Let a Billion Servers Bloom!—damit nicht auch im Web wenige Unternehmen entscheiden, was publiziert wird.
Bei meinem neuen Server habe ich mich für den isländischen Cloud-Anbieter GreenQloud entschieden. Abgesehen davon, dass mir der ökologische Ansatz von GreenQloud sympathisch ist, möchte ich auch ausprobieren, ob es aufwändig ist, von Island aus zu publizieren, das sich in den letzten Jahren einen Namen als free haven für Informationen gemacht hat. Die Installation eines virtuellen Servers ist bei GreenQloud—ähnlich wie bei Amazon—sehr simpel, und die Erreichbarkeit und Performance scheinen mir bisher auszureichen. Natürlich ist es ein Risiko, seinen Server bei einer relativ kleinen Firma zu betreiben, die selbst wiederum auf ein Data Center angewiesen ist. Aber gegen dieses Risiko kann man sich durch Backups schützen.
Ich werde in der nächsten Zeit beschreiben, welche Erfahrungen ich beim Einrichten des neuen Blogs und bei seinem Design mache. Ich bin für jeden Tipp dankbar—sowohl zur möglichst glatten Abwicklung des Transfers wie zum Design des Blogs. Mir selbst macht es Spaß, mich mit den technischen Details zu beschäftigen, die dabei eine Rolle spielen—ich bin auch nicht ganz unerfahren, weil ich früher schon einen Server betrieben habe. Ich hoffe, dass ich mit den Erfahrungen, die ich jetzt mache, meinen Studenten bald besser erklären kann, warum es sinnvoll ist, einen eigenen Server zu betreiben und wie man das macht.

9 Kommentare zu “Von Typepad zum eigenen Server: Lost and Found siedelt

  1. Gratulation zum Umstieg. Ich habe in meinem Blog schon öfters über die Frage der eigenen Bloginsel geschrieben. Daher bin ich froh von Anfang beim bloggen auf eine gewissen Selbständigkeit geschaut zu haben.
    Nebstbei: Es gibt aber nicht nur WordPress, sondern eine große Anzahl an Blogsystemen. Ich bin daher dabei eine eigene Seite zu starten, die diese Vielfalt aufzeigen soll.
    Nebenbei: Wird sich auch der RSS Feed ändern? Das ist vielleicht für ein paar LeserInnen wichtig.

  2. Danke! – Ich weiss, dass es andere Blogsysteme gibt; und ich habe mich gestern auch gefragt, ob du darauf hinweist 😉 ( Ich hoffe, du verzeihst mir, dass ich noch nicht auf dein Post zu App.net eingegangen bin, habe mich in den letzten Tagen nur um mein neues Blog gekümmert.) Ich habe mich aus zwei Gründen sehr schnell für WordPress entschieden: Ich verwende es im Unterricht; ich möchte mich im Moment nicht in verschiedene Systeme hineinarbeiten (beherrsche WordPress nicht wirklich). WordPress bietet für mich am ehesten eine Chance, ein Gegengewicht zu den großen Firmen Google, Facebook und Twitter zu bilden. Ich habe irgendwo gelesen, dass 20% aller Webinhalte auf Worpress-Blogs stehen. Mich hätte übrigens – auch wenn das keine Open Source-Lösung ist – Expression Engine interessiert. Zum RSS-Feed: Er läuft bei mir über Feedburner. Ich verwende weiter die alte Adresse http://feeds.feedburner.com/typepad/lostandfound. Die Abonnenten dürften also nichts bemerken. Ich habe allerdings mehrere Stunden gebraucht, bis ich von WordPress einen validen Feed erhalten habe, weil ich wohl durch den Import aus Typepad nicht utf-8-konforme Zeichen im Blog hatte.

  3. Es ist vollkommen in Ordnung, dass du WordPress verwendest 🙂 Als S9y Evangelist muss ich auf Serendipity hinweisen 🙂
    Mit der geplanten Plattform möchte ich aber auf alle möglichen (und unmöglichen) Blogsysteme aufmerksam machen.
    Denn für viele ist WP sicherlich in Ordnung. Manche suchen aber ein anderes System – aus vielen Gründen: Kein Mainstream, falsche Lizenz, der Code, das Templating System,..
    Botschaft ist/wäre: Bevor du dich entscheidest solltet du über die Alternativen wissen.
    Ad app.net. Kein Problem, wir haben alle nur eingeschränkte Ressourcen und die Neueinrichtung eines Blogs ist ganz schön viel Arbeit (wie ich selbst weiß). Danke für die nunmehrige Erwähnung per Tweet. Wie auf app.net geantwortet ist „lesbar“ das lobendste Eigenschaftswort, dass du dem Artikel verpassen konntest 🙂
    Dann viel Freude mit WP und gutes einlernen bzw. umstellen.
    Liebe Grüße, Robert

  4. Hallo Heinz,
    hoffentlich ist es okay, wenn ich dich so direkt anschreibe?! Aber ich bin derzeit am Überlegen von typepad auf wordpress (evtl Blogger) zu wechseln. Habe so gut wie keine Computerkenntnisse und auch das Englisch ist nicht das Allerbeste.
    Habe ich das bei typepad richtig verstanden, dass – wenn man den bisherigen typepad Blog exportiert – Links zu anderen Seiten im Netz und Fotos nicht mit exportiert werden??
    Da ich sehr viel verlinkt habe, aber auch bestimmt 1000 Fotos und mehr in all den Beiträgen, wäre das ‚manuell‘ ein fast zu hoher Aufwand.
    Vielleicht kannst du mir mit ein paar Tipps weiterhelfen?
    Vielen Dank im Voraus.
    Viele Grüße
    Eva von Deichrunner’s Küche

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