Gestern abend habe ich bei John Berger gelesen (und dabei an Elon Musk gedacht):

Die Tatsache, dass die Tyrannen der Welt ex-territorial sind, erklärt das Ausmaß ihrer Überwachungsmacht, weist aber auch auf eine kommende Schwäche hin. Sie operieren im Cyberspace und residieren in bewachten Zonen. Sie haben keine Kenntnis von der sie umgebenden Erde. Außerdem tun sie dieses Wissen als oberflächlich und nicht tiefgründig ab. Nur die extrahierten Ressourcen zählen. Sie können nicht auf die Erde hören. Auf dem Boden sind sie blind. Im Lokalen sind sie verloren.

Für die Mitgefangenen ist das Gegenteil der Fall. Die Zellen haben Wände, die sich über die ganze Welt hinweg berühren. Wirksame Aktionen des nachhaltigen Widerstands werden nah und fern in das Lokale eingebettet sein. Widerstand im Outback, auf die Erde hören. (“Meanwhile,” Übersetzung mit deepl.com, von mir redigiert, in Berger, 2016)

Seit Dienstag, als ich mit Ana in der Dramatisierung seines Romans A und X im KiG gewesen bin, gehen mir Formulierungen Bergers durch den Kopf. Schon länger denke ich über die Bedeutung des Lokalen, des Orts, im Kampf gegen die Klimakatastrophe und die mit ihr verknüpften Krisen nach. Den Horizont dafür bildet für mich der Begriff der geosozialen Klasse (Latour & Schultz, 2022).

Continue reading

Man kann wohl nicht definieren, was Philosophie ist, ohne sich schon in einer Philosophie zu befinden. Angeregt durch Bruno Latour und Isabelle Stengers, aber auch durch einen Facebook-Dialog mit einer Klima- und Covid-Schwurblerin, denke ich darüber nach, was ich unter Philosophie verstehe. Kurz dachte ich, dass für mich Philosophie mit der Prüfung von Argumentationen zusammenfällt, dass es in ihr also gar nicht um Aussagen über die Wirklichkeit oder die Welt geht. Aber dieses Konzept geht nicht weit genug.
Continue reading

Bruno Latour verweist auf Twitter auf einige Texte zu James Lovelock, der am 26. Juli, seinem hundertunddritten Geburtstag, gestorben ist: einen Nachruf in der Libération von Latour selbst und Sébastien Dutreuil (2022), eine populärwissenschaftliche Darstellung von Sébastien Dutreuil (2022) und einen Essay, in dem Latour seine Lovelock-Interpretation unterhaltsam, unprätentiös und fast beiläufig in einem Bericht über seinen ersten Besuch bei Lovelock vorstellt (Latour, 2018). Es geht in diesen Texten um das, was Lovelocks Gaia-Hypothese von Ansätzen unterscheidet, die ihr ähneln und zum Teil von ihr ausgelöst wurden. Latour und Dutreuil entwickelten ihre Interpretationen im Dialog mit Tim Lenton. Ihr gemeinsames Verständnis Lovelocks stellen Latour, Dutreuil und Lenton in einem ausführlichen Aufsatz in der Anthropocene Review dar (Lenton et al., 2020).

Continue reading

Mich beschäftigen drei Ereignisse, von denen ich gestern gelesen habe:

  • James Lovelock ist an seinem 103. Geburtstag gestorben (Horton, 2022, der Guardian stellt fest, dass die Klimakrise, auf die er die Öffentlichkeit aufmerksam machen wollte, ein Grund dafür war, dass Lovelock so lange aktiv bieb.)
  • Die Leopoldina hat ein langes Papier veröffentlicht, das eine Neuorganisation der Erdwissenschaften in Deutschland fordert und in die Erdsystemwissenschaft als eine wissenschaftliche Leitdisziplin einleitet (tagesschau.de, 2022).
  • Im Guardian ist ein Artikel über eine Bewegung erschienen, die Besetzungen von Hochschulen und Schulen in vielen Ländern ab dem nächsten Schulstreik im November vorbereitet (End Fossil, 2022).

Continue reading

Zukunftsszenarien von einer Erde im Wandel erfordern Lösungsoptionen und vor allem deren wirksame Vermittlung an die Öffentlichkeit und an politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger. Diesbezügliche Fähigkeiten werden an Universitäten und Forschungszentren in der Regel nicht gelehrt. (Zukunftsreport Wissenschaft. Erdsystemwissenschaft – Forschung Für Eine Erde Im Wandel., 2022, p. 7)

Wenn ich heute einen Contentstrategie-Studiengang konzipieren würde, wäre das mein Ausgangspunkt. Das Marketing für sozial und ökologisch schädliche Produkte und die kapitalistischen Firmen dahinter (und hinter den Marketing-Maschinen) hat damit nichts zu tun.

Quelle:

Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina (Ed.). (2022). Zukunftsreport Wissenschaft. Erdsystemwissenschaft – Forschung für eine Erde im Wandel. Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina. https://www.leopoldina.org/fileadmin/redaktion/Publikationen/Zukunftsreport/2022_Zukunftsreport_Erdsystemwissenschaft_DE_web.pdf

Gut aufbereitete Einführung zu Bürger:innenräten – mit vielen Literaturhinweisen und Links zu Beispielen (Extinction Rebellion UK, 2019). Habe sie gerade bei der Vorbereitung einer Extinction Rebellion-Veranstaltung zum österreichischen Klimarat gelesen.

Die Dimensionen des Themas Citizens Assemblies’/Bürger:innenräte gehen mir erst auf, seit ich für das Fazit einen Aufsatz über Ökologie und Demokratiekrise (PDF) geschrieben habe. Ich sehe die Chancen, mit den traditionellen demokratischen Instrumenten rechtzeitig auf die ökologischen Krisen zu reagieren, immer pessimistischer. Bisher haben diese Instrumente dramatisch versagt.

Nachweis

The hour-long conversation brought together scientific, contemplative, and activist perspectives, with a shared emphasis on creating the paradigm shift needed to build collective resilience. As Brother Pháp Dung said, “We need to reframe a little bit, and bring some more wonder and magic into the [climate change] movement. Although it is a crisis, as a human body and a human mind, we can only handle so much.”

Facing the Climate Crisis through Connection, Community, and Compassion – Mind & Life Institute

Je mehr ich mich mit der Klima- und den anderen ökologischen Krisen befasse, desto mehr glaube ich, dass wir eine spirituelle Dimension brauchen, um in ihnen leben und etwas gegen sie tun zu können.