Degrowth and the State (D’Alisa & Kallis, 2020) ist im ersten Teil ein Literaturbericht, im zweiten Teil die Skizze einer Theorie der Funktion des Staates bei der Transformation zu einer Degrowth-Ökonomie.

Der ausführliche Literaturbericht ordnet die Positionen der Degrowth-Theoretiker zum Staat in drei Gruppen (three logics and visions of systemic transformations: ruptural, interstitial and symbiotic) ein:

  • revolutionäre (ruptural) Ansätze, für die der Überganz zu einer Degrowth-Wirtschaft nur nach einer radikalen Transformation der Gesellschaft möglich ist,
  • interstitial-Ansätze, die darauf setzen, dass sich Elemente einer Degrowth-Ökonomie als eigene Zonen in der bestehenden kapitalistischen Wachstums-Ökonomie entwickeln,
  • symbiotische Ansätze, die auf eine schrittweise Umformung des bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystems setzen.
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Ich habe gestern Klimakrise neu denken: Die Ökodiktatur ist nur ein Scheinproblem gelesen, einen guten Essay über die Klimakrise.

Seit ich diesen Artikel gelesen habe, denke ich wieder darüber nach, ob und wie man anders gegen die Klimakrise kämpfen kann als durch das Engagement gegen ein System als solches. Die unmittelbaren Ursachen für die Klimakrise sind nicht der Kapitalismus, die Konsumgesellschaft oder die Wachstumsökonomie schlechthin, sondern die Verbrennung fossiler Brennstoffe und daneben die Erzeugung von Treibhausgasen (einschließlich der Zerstörung von CO2-Senken) in der Landwirtschaft und in der Bauwirtschaft. Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass man bei diesen wirtschaftlich-industriellen Komplexen ansetzen muss, um die globale Erhitzung zu stoppen und damit auch das Wirtschaftssystem als ganzes zu transformieren, statt auf einen Systemwandel insgesamt hinzuarbeiten und als Teil oder Ergebnis dieses Systemwandels die Energieproduktion, die Landwirtschaft und andere Industrien zu verändern. Damit meine ich nicht, dass kein Systemwandel nötig ist, sondern dass

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Lieber Thomas Mayer, Sie meinen offenbar Extinction Rebellion ingesamt. Man kann diese Bewegung (die ich unterstütze) nur verstehen, wenn man die wissenschaftlichen Aussagen ernst nimmt, von denen sie ausgeht. Empfehlenswert zu deren Seriosität u.a. Scientists’ Declaration of Support for Non-Violent Direct Action Against Government Inaction Over the Climate and Ecological Emergency /c Heinz Wassermann

Ich bin erst vor ein paar Monaten auf den englischen Ökonomen Tim Jackson und sein Buch Wohlstand ohne Wachstum gestoßen. Aufgrund der Texte und Vorträge Jacksons, die ich gelesen oder gesehen habe, ist er für mich im Augenblick der interessanteste Degrowth- und Postwachstumsökonom. Ein Grund dafür, ist, dass er sich mit der Rolle von Services in einer zukünftigen, ökologisch verträglichen Wirtschaft beschäftigt. Ich sehe eine Brücke zu meiner Vorstellung von Content-Strategie als Service Design mit Inhalten. Vor allem aber zieht mich sein einerseits offener, pragmatischer und andererseits radikaler Zugang an, der dem systemischen, komplexen Charakter der Krisen entspricht, in die das jetzige Wirtschaftssystem geführt hat. Ich sehe viele Bezüge einerseits zu dem Konzept der Planetaren Grenzen als Beschreibung der Ausgangssituation politischen Handelns heute und zum Aktivismus einer Bewegung wie Extinction Rebellion, an der ich teilnehme.

Talking Development Ep.4 – Prosperity without Growth (w/Tim Jackson)

Zu Anfang formuliert er—in einer, wie er selbst sagt, simplistischen Weise—drei Forderungen an ein zukünftiges Wirtschaftssystem:

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Unter den deutschen Wissenschaftlern, die öffentlich über den Klimanotstand informieren, ist Stefan Rahmstorf vielleicht der sichtbarste. Er vor allem hat die Rolle übernommen, die Hans Joachim Schellnhuber vor seiner Emeritierung ausgefüllt hat.

Das Wissen, das Rahmstorf in einem Video in der Zeit und in einem Artikel im Spiegel vermittelt, gehört heute zur Grundbildung.

In dem Video schildert er ganz knapp, was passieren wird, wenn wir die globale Erhitzung nicht entschlossen stoppen:

(Publiziert in: Klimawandel: Was, wenn wir nichts tun? | ZEIT ONLINE)

Im Spiegel stellt Rahmstorf dar, welches CO2-Budget der Bundesrepublik Deutschland bleibt, wenn die Ziele des Pariser Abkommens eingehalten werden sollen. Ausgangspunkt ist die skandalöse Antwort der deutschen Umweltministerin auf die Frage eines Journalisten nach dem deutschen CO2-Budget:

Unter diesen ganzen Tonnen und so kann sich doch keiner was vorstellen.

Rahmstorf schreibt, dass die Menschheit noch 500 Gigatonnen CO2 freisetzen darf, wenn die globalen Temperaturen nicht mehr als 1,5° Celsius ansteigen sollen. Folgt man den großzügigeren Vorgaben des IPCC (Erwärmung deutlich unter 2° Celsius), dann bleiben ab jetzt noch 720 Gigatonnen—bei einem wesentlich höheren Risiko, dass die Erhitzung nicht bei 2° gestoppt werden kann.

Um seine Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen umzusetzen, muss Deutschland jährlich 40 Millionen Tonnen CO2 einsparen (Details im Artikel von Rahmstorf). Wenn die noch möglichen CO2-Emissionen global gerecht verteil werden, dann stehen Deutschland insgesamt noch 7,3 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen zur Verfügung (andere Treibhausgase sind dabei vernachlässigt). Tatsächlich würde Deutschland, wenn das sogenannte Klimapaket der Bundesregierung umgesetzt wird, aber ca 13 Milliarden Tonnen beanspruchen, also fast das Doppelte. Das ist nicht nur eine krasse Ungerechtigkeit gegenüber ärmeren Ländern, die viel weniger emittieren und emittieren dürften, es macht es auch unmöglich, global für mehr Klimaschutz und Klimagerechtigkeit einzutreten.

Zwei Überlegungen dazu:

  1. Für mich sind die Zahlen in dem Artikel von Rahmstorf ein weiteres Argument dafür, dass die Extinction Rebellion-Forderung nach CO2-Neutralität bis 2025 gerechtfertigt ist. Der weniger radikale Emissionspfad, den Rahmstorf (eigentlich der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen) vorschlägt (jährliche CO2-Ensparungen von 40 Millionen Tonnen ab sofort bis zum Ende der 2030er-Jahre), wird m.E. schwerer durchsetzbar sein als eine drastischere Reduktion in einer erklärten Notstandssituation—trotzdem wäre auch dieser weniger steile Reduktionspfad viel wünschenswerter als die kurzfristigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die die Bundesregierung als Klimapaket bezeichnet.
  2. Bundesregierung und Bundestag handeln in einem krassen und erkennbarem Widerspruch zu einer wissenschaftlich eindeutig festgestellten Sach- und Risikolage. Die Tatsachen zum Klimawandel und zu CO2-Budgets, die Rahmstorf anführt, sind das Ergebnis von Forschungen; sie werden von den politisch Verantwortlichen im Interesse der wirtschaftlich Mächtigen vernebelt. Mich erinnert das an der Verhalten der europäischen Regierungen im ersten Weltkrieg. Institutionen, die sich so verhalten, verlieren ihre Legitimität. Dass es eine Verpflichtung zum Schutz der jetzt und in der absehbaren Zukunft lebenden Menschen gibt, ist kein Diskussionsgegenstand. Die Demokratie wird nicht von denen gefährdet, die jetzt zivilen Ungehorsam propagieren, sondern von denen in der Politik, die elementare Verpflichtungen jedes Staates ignorieren.