Wie sinnvoll ist es, einen Artikel sowohl in seinem eigenen Blog als auch bei Medium zu publizieren? Brauche ich Medium, wenn ich ein Blog habe? Oder: Brauche ich ein Blog, wenn ich auf Medium publizieren kann—möglicherweise mit mehr Reichweite, in besserem Design und mit den zusätzlichen sozialen Features, die Medium bietet?
Ich stelle mir diese Fragen immer wieder, seit ich angefangen habe, selbst auf Medium zu schreiben. Ich versuche, sie auf zwei Ebenen zu beantworten:
- Schadet es SEO-technisch, denselben Inhalt zweimal zu veröffentlichen? Wenn ich es richtig sehe, kann man diese Frage mit „nein“ beantworten. Wenn man seinen Inhalt nicht doppelt publiziert, um Suchmaschinen zu täuschen, muss man keine „Strafe“ für duplicate content von Google befürchten.
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Ist es sinnvoll, ein Blog und Medium als Plattformen für dieselben Inhalte zu benutzen. Diese Frage beantworte ich mit einem vorsichtigen „ja“. Medium macht Inhalte in einer Form zugänglich, die man mit RSS oder einem guten Feedreader vergleichen kann, und erlaubt es, Communities um die Inhalte herum aufzubauen. Medium ersetzt aber, weil es alle Inhalte gleich präsentiert, nicht den persönlichen Kontext eines Blogs.
Zuerst zu der Frage nach dem duplicate content: Schade ich dem Ranking meines Blogs bei Google, wenn dieselben Posts an einer anderen Stelle auftauchen? Ich habe im Netz keine überzeugende Antwort auf diese Frage gefunden. Auch in den Informationen, die Medium selbst über das Publizieren auf der eigenen Plattform gibt, findet sich nichts dazu. Den sicheren Weg, durch ein canonical
-Link bei Medium dafür zu sorgen, dass der Text nur einmal indiziert und der link juice von Medium auf das Blog übertragen wird, gibt es bei Medium offenbar nicht.
(Update, 12.12.14: Im Quelltext dieses Artikels bei Medium habe ich gesehen, dass Medium selbst ein canonical-Link einfügt, und zwar auf den Medium-Artikel. Der erste Teil dieses Posts muss also überarbeitet werden.)
(Update, 13.12.14: Bei Google finde ich einen Tag nach der Publikation das Post auf meinem Blog an erster Stelle, wenn ich nach „medium.com“ und „canonical“ suche, aber nicht die Medium-Version. Das spricht dafür, dass Google das Attribution-Link bei Medium berücksichtigt.)
Ich glaube trotzdem nicht, dass das Republizieren bei Medium großen Schaden anrichtet—außer dass die Links, die man möglicherweise erhält, aufgeteilt werden. Google hat immer wieder betont (z.B. hier und hier), dass duplicate content kein Grund zu großen Sorgen ist, wenn er nicht in böser Absicht produziert wird. Google dürfte in der Lage zu sein zu erkennen, dass Medium keine unkoschere Plattform ist. Ein attribution-Link zum Originalartikel müsste auch bei Medium ausreichen, um den Google-Algorithmen mitzuteilen, dass man sie nicht täuschen will. (Zum Hinweis auf die Originalquelle bei syndizierten Posts gibt ein hilfreiches Video mit Transkription von Eric Enge. Einen mit einem Experiment belegten Artikel über die positiven Aspekte des Cross-Postens habe ich auf dem Scoop.it-Firmenblog gefunden. Kritisch gegenüber dem Crossposten, aber doch weniger überzeugend, ist dagegen dieser Thread in den WordPress.com Foren.)
Zur zweiten Frage: Wie sinnvoll ist es, dieselben Texte bei Medium und im eigenen Blog zu publizieren? Seit ich Medium kenne, frage ich mich, ob ich nicht mit meinem eigenen Blog überhaupt aufhören soll.
Aus der Sicht der Nutzer ist Medium fast jedem Blog überlegen. Das Design ist besser, man muss sich nicht mit einer unübersichtlichen Navigation herumschlagen. Wenn man die wenigen Konventionen verstanden hat, kann man sich auf die Texte und Medien konzentrieren und wird nicht von einer mehr oder weniger aufdringlichen „persönlichen Note“ abgelenkt. Medium ist für das Lesen etwa das, was der iA Writer für das Schreiben ist: perfekt designt, weil man nichts mehr weglassen. Und auch als Schreibumgebung ist Medium hervorragend, wenn man mit den wenigen Optionen z.B. für die Gestaltung von Links zufrieden ist, die es bietet. Aus allen diesen Gründen sehe ich meine Texte gerne bei Medium—und natürlich auch, weil sie dort wahrscheinlich mehr Leser finden als auf meinem Blog. Es sind sicher nicht alle Blogposts für Medium geeignet und umgekehrt, aber für längere, artikelartige Texte eignen sich beide.
Genau wegen dieser Perfektion und seinem entsubjektivierten Charakter genügt mir Medium alleine nicht. Medium ist so etwas wie ein Raum für den öffentlichen Vortrag, aber nicht für das Gespräch in einem Zimmer. Es gibt selbst Unprofessionellem professionellen Glanz. Es ist wie eine Wohnung, die ein guter Designer eingerichtet hat, und die deshalb nicht zeigt, welchen Geschmack die Bewohner haben—wenn sie überhaupt einen haben. Zum Bloggen als einem bewusst vorläufigen, „schwachen“ Schreiben passt es nur bedingt.
Ich werde also wohl vorläufig mein Blog und Medium parallel nutzen. Für manche Texte genügt mir Medium. Für kurze, ganz vorläufige Posts—die ich wieder mehr schreiben möchte—würde ich es nicht benutzen. Ich nehme mir vor, mein Blog so neu zu designen, dass es sich wieder für solche Posts eignet, vor allem dadurch, dass die Überschrift weniger betont wird.
Sicher bin ich mir nicht, ob diese beiden Antworten richtig sind. Gegenargument sind willkommen!
Interessante Überlegungen, die mir zum Teil auch schon in den Sinn gekommen sind. Ich denke, man kann die Frage auch nicht unabhängig von demjenigen beantworten, der da bloggt.
Eine wichtige Überlegung ist die: Was ist mein call to action? Bei mir ist es so, dass ich in meinem Blog mein Fachwissen ausbreite und so etwas wie ein Online-Magazin zu meinen Kernthemen führe. Ich berate jedoch auch in dem Bereich, und das soll der geneigte Leser, der von meinen Inhalten profitiert, aber zugleich auch als potentieller Kunde in Frage kommt, durchaus sehen, und er soll die Möglichkeit haben, schnell zu mir zu gelangen. Nun sind Interessenten nur ein kleiner Teil meiner Leser, auch diejenigen, die meine Inhalte teilen, sollen wiederum auf meine eigene Plattform verweisen.
Dafür aber bietet Medium nicht die gleichen Möglichkeiten. Das Umfeld meiner Artikel animiert eher dazu, andere Artikel anderer Autoren zu lesen, als sich weiter bei mir aufzuhalten.
Genau dies alles trifft aber, denke ich, für die meisten Corporate Blogs zu. Also auch beispielsweise für die meiner Kunden.
Was die Reichweite angeht, so ist die meines eigenen Blogs, das ich ja allerdings auch über viele Jahre aufgebaut habe, immer noch höher, als die, welche ich auf Medium erziele. Mit einer einzigen Ausnahme: Ich hatte ein One-Hit-Wonder auf Medium, das innerhalb kurzer Zeit fast 40.000 Leser hatte.
Ich nutze Medium aber sehr gerne, um dort Artikel und Themen zu platzieren, die in mein eigenes Blog nicht passen, die aber Teil des Austausches vor allem mit meiner peer group sind. Dafür eignet sich Medium hervorragend.
Insofern muss man sich die Voraussetzungen, Ziele und Bedürfnislagen jedes einzelnen Publizierenden (auch im Sinne einer publizierenden Organisation/eines Unternehmens) immer auch einzeln anschauen, um über die Plattformen zu entscheiden.
Ich bin aber nach wie vor überzeugt, dass bei jedem professionell ausgerichteten Blog die selbstgehostete Plattform im Zentrum stehen sollte.
Danke, das ist ein sehr wichtiger Aspekt. In einem der von mir verlinkten Artikel wird darauf hingewiesen, dass syndizierte Artikel nicht viel für Konversionen bringen. (Dass ich darauf nicht hingewiesen habe, liegt wohl auch an der déformation professionelle des staatlich bezahlten Hochschullehrers…) Mein eigentliches Problem hier ist das doppelte Publizieren, das ich generell nicht webgemäß finde. Ich habe das bei diesem Post zum ersten Mal gemacht. Wenn ich es richtig sehe, sorgt Medium auch dafür, dass importierte Posts das Google Ranking nur bei Medium erhalten,also die Sichtbarkeit des Blogs verringern. Das unterstreicht deine Argumentation.
Ich frage mich eher seit einiger Zeit, ob es sinnvoll ist, eigene Artikel im eigenen Blog auf Medium anzuteasern und dann dorthin zu verlinken. Ob die Community sich darüber freut – oder ob sie es eher als Werbung für die eigene Plattform sieht und sich darüber ärgert.
Hallo Heinz, eine spannende Überlegung, ich sehe das gleiche in der Diskussion von (Company) Blog versus Linkedin Pulse. Da gibt es auch Stimmen, die sagen es lohnt sich durch die enorme Leseranzahl auf Pulse umzusteigen, vor allem wenn der Artikel so viel traction bekommt, dass er von Linkedin promoted wird. Ich sehe dabei aber das gleiche Problem wie Kerstin, auf Pulse oder Medium ist man ein/e Autor/in von vielen, dementsprechend finde ich sollte auch die Sprache eine andere sein – einfach reposten ist bestimmt nicht für jeden Artikel geeignet. Ich glaube solche Plattformen sind eher für Privatpersonen, die sich als Opinion Leaders etablieren wollen, aber nicht für Lead Creation wie über den Firmen-Blog. Medium und Pulse sind zusätzliche Werkzeuge, aber ich glaube sie können den eigenen Blog nicht ersetzen.