An der FH Joanneum wird ein neuer Rektor gewählt. Die Landesregierung hat am Montag einen Dreiervorschlag beschlossen. Ernst Sittinger hat gestern in der Printausgabe der Kleinen Zeitung (die meinungsbildende Zeitung in Graz) darüber berichtet, dass es im Kollegium rumort, weil Klaus Posch, der interne Kandidat mit den größten Chancen, nicht in den Dreiervorschlag aufgenommen wurde.

Über die für den Dreiervorschlag Nominierten kann man sich online informieren (Martin Baumann, ein Studierendenvertreter im Kollegium, hat die Links gesammelt):

Univ. Prof. Dr. Peter Baumgartner
http://www.peter.baumgartner.name/
http://www.donau-uni.ac.at/de/universitaet/whois/06393/index.php

Prof. Dr. Johann Günther
http://www.johannguenther.at/
http://www.johannguenther.at/pdf/lebenslauf_johann_guenther.pdf

Univ.-Prof. DI Dr. Karl P Pfeiffer
http://www.i-med.ac.at/msig/mitarbeiter/pfeiffer/index.html.de

Informationen über die Aktivitäten von Klaus Posch an der FH gibt es u.a. hier und hier; Hinweise auf einige seiner Publikationen findet man über Google Scholar.

Ich bin selbst Mitglied unseres FH Kollegiums, und ich erhalte wie viele meiner Kollegen gerade aus verschiendenen Quellen viele vertrauliche Informationen und höre viele Gerüchte. Ich kann also nicht objektiv, sondern nur als Beteiligter Stellung nehmen. Ich hoffe, dass über den Dreiervorschlag und darüber, wie er zustande kam, offen und transparent diskutiert wird. Als eine Grundlage einer solchen Diskussion publiziere ich hier diese Links. Ich hoffe, dass nicht nur ich über dieses Thema bloggen werde.

Natürlich bedauere ich, dass ein Bewerber, der unsere Hochschule und das — nicht leicht zu verstehende — österreichische Fachhochschulwesen sehr genau kennt, nicht zum Zuge gekommen ist. Die FH ist eine der größten österreichischen Fachhochschulen, und vor uns liegt eine schwierige Phase: Die Budgets wachsen uns nicht mehr, und der Bologna-Prozess gibt uns neue Chancen, uns in der europäischen Hochschullandschaft zu positionieren. Dazu braucht die Hochschule eine Leitung, die die Spezifika einer FH versteht.

Der Kleinen Zeitung — der steirischen Regionalzeitung — können meine Kollegen und ich entnehmen, dass die steirische Landesregierung am Montag darüber entscheiden wird, wie die Stelle des Rektors der FH Joanneum ausgeschrieben wird: Vollaths Fachhochschul-Coup. Uneingeweihte können den Artikel nicht verstehen: Im Kern geht es wohl darum, ob die nächste wissenschaftliche Geschäftsführerin wieder Vorsitzende des FH-Kollegiums sein (und damit auch vom Kollegium mitgewählt) wird. Offenbar hält die zuständige Bildungslandesrätin Vollath an dem in Österreich einzigartigen Modell der Personalunion von Geschäftsführung und Kollegiumsvorsitz fest, während ihre Kollegin Edlinger-Ploder nach einem neuen Modell sucht. Frau Vollath gehört der SPÖ an, Frau Edlinger-Ploder der ÖVP; sie war in der letzten Legislaturperiode für die FH verantwortlich. Eine Proporzvorschrift kettet in der Steiermark beide Parteien in der Regierung aneinander. Tatsächlich belauern sie sich, und zur Zeit (wie eigentlich immer) beziehen sie Stellung für den nächsten Landtagswahlkampf. Am Montag dürfte auch darüber entschieden werden, ob und wie die Fachhochschule Joanneum in diesen Landtagswahlkampf hineingezogen wird.

Ich bin als einer der Vertreter der Lehrenden der FH Mitglied unseres Kollegiums, und ich denke wenigstens wöchentlich darüber nach, dieses Gremium zu verlassen. Der Bericht in der Kleinen Zeitung bringt mich diesem Schritt ein Stückchen näher. Zur zukünftigen Führungsstruktur der FH hat das Kollegium eine Stellungnahme formuliert; welche Rolle sie für die Entscheidung der Landesregierung spielt, wissen wir nicht. In der schlechten spätabsolutistischen Tradition der Steiermark werden Entscheidungen nicht offen diskutiert, bevor sie getroffen werden. Es gibt wenige Wissende und einige Personen in deren Umkreis, denen Indiskretionen zugeworfen werden. Auf eine solche Indiskretion dürfte auch der Artikel in der Kleinen Zeitung zurückgehen, der offenbar darauf abzielt, die Bildungslandesrätin zu schwächen. Der Einfluss des FH-Kollegiums, das für die Qualität von Lehre und Forschung verantwortlich ist, ist extrem gering. Noch komplizierter werden die Machtspiele um die FH durch einen politbüroartig agierenden Aufsichtsrat, gegen den sich, wie aus dem Artikel in der Kleinen hervorgeht, auch die vorgesetzte Landesrätin nicht immer durchsetzen kann, und durch die interne FH-Bürokratie, die in der Vergangenheit FH-Geschäftsführungen gefährlich geworden ist und im Gegensatz zu den Studiengängen nie evaluiert wird.

Die FH Joanneum hat einen guten Ruf; die Arbeitsbedingen sind nach wie vor besser als an vielen Universitätsinstituten. Ihren Ruf und ihre Qualität hat sie in einer Zeit erworben, in der sie relativ klein und überschaubar war und unbürokratisch geführt wurde — von Personen, die akademische Ansprüche hatten, auch wenn die FH als GmbH organisiert war. Wenn wir unsere Position auf dem Bildungsmarkt halten oder verbessern wollen, brauchen wir dringend und schnell:

  • eine innovations- und sachorientierte Führung mit Handlungskompetenzen;
  • transparente, entbürokratisierte Entscheidungsstrukturen, und vor allem eine
  • konsequente Entpolitisierung der Hochschule.

Wichtig wäre außerdem, dass tatsächlich ergebnisoffene und öffentliche interne und externe Diskussionen über die Entwicklung der FH und ihrer Studiengänge geführt werden. Alles intern und extern vorhanden Wissen muss genutzt werden, wenn die FH ihre Aufgaben als Wissens- und Innovationszentrum für die Region und ihre Wirtschaft erfüllen soll.

Wir starten im Herbst einen Bachelor-Studiengang Journalismus und PR. Darin bin ich für das Gebiet Web zuständig — zusammen mit Karin, die uns international vernetzt und sich mit didaktischen Themen beschäftigt, und hoffentlich oft im team teaching mit Boris, Maria und anderen Kollegen. Als ich vor ein paar Jahren begonnen habe, an der Fachhochschule zu unterrichten, bin ich aus der Praxis in die Lehre hineingestolpert. Jetzt haben wir eine Chance, etwas systematischer zu überlegen, was unser Unterricht soll und wie wir ihn anlegen.

Die Studenten haben drei Jahre Zeit, von denen sie ein halbes im Praktikum sind. Für das Thema Web stehen in den ersten Semestern ein paar Stunden zur Verfügung; im letzten Semester ist es dann möglich, sich auf Soziale Medien zu spezialisieren — als Alternative zu Journalismus oder PR. Das ist nicht sehr viel Zeit, und den größten Teil des Studiums werden sich die meisten mit älteren Medien und den herkömmlichen Formen der PR beschäftigen. Ein Teil wird nach dem Abschluss weiterstudieren, alle sollten nach dem Examen darauf vorbereitet sein, in der Medienbranche zu arbeiten. (Natürlich müssen wir alle Themen crossmedial unterrichten. Aber Spannungen, Debatten zwischen den Vertretern alter und neuer Medien sind lehrreicher als künstliche Harmonisierung.)

Was müssen die Studenten wissen? Was sind die wichtigsten Themen? Klar ist, dass es nicht vor allem um Faktenwissen gehen kann, das funktioniert schon quantitiv nicht, und die meisten Fakten, die man ihnen beibringen könnte, sind ohnehin schon in ein paar Jahren veraltet. Der Satz

life is not about stuff; it’s about possibilities

gilt ganz sicher für jede Art von Bildung oder Ausbildung.

Ich suche nach einer Formulierung (einem mission statement oder einer Leitlinie), die unterschiedliche Ansprüche erfüllt:

  1. Die Studenten müssen sie verstehen, und zwar so, dass sich ihr möglichst viel von dem, was wir in unserem Unterricht machen, zuordnen lässt.

  2. Sie muss sowohl für den Journalismus wie für die Unternehmenskommunikation gelten.

  3. Sie muss gültig sein, auch wenn alle hergebrachten Begriffe von Professionalität im Medienbereich in eine Krise geraten sind.

Als allgemeinste Zusammenfassung unserer Ziele fällt mir ein: den Studenten beibringen, wie sie mit den Mitteln des Web Mehrwert für ihre Leser oder User erzeugen. Das klingt nach langweiliger Unternehmenspräsentation. Vielleicht könnte ich auch sagen: den Studentinnen beibringen, wie man die Leser mit den Mitteln des Web so informieren und unterhalten kann, dass sie wiederkommen, dass sie der Autorin oder dem Medium, in dem sie schreibt, die Treue halten. Im Kern ist das eine uralte Zielsetzung. Nur die Mittel sind neu. Die Leserinnen oder Userinnen sollen etwas von dem haben, was ihnen Journalisten oder Unternehmenskomunikatoren bieten, und Professionalität besteht zu einem großen Teil darin, zu wissen, wie sie möglichst viel davon bekommen.

Ganz zufrieden bin ich mit der Orientierung am Mehrwert nicht — aber ich werde daran weiterdenken, bis ich auf eine prägnantere oder präzisere Formel stoße. Vielleicht fällt ja den Studierenden eine ein?

Meine Arbeit bestünde dann übrigens zu einem guten Teil darin herauszufinden, wo und wie sich mit den Mitteln des Web die Qualität von Nachrichten (im allerweitesten Sinn) verbessern lässt, und noch mehr darin, die Studentinnen anzuregen, das selbst zu entdecken. Ein interessanter Job — ich wünsche mir keinen anderen.

Die Kleine Zeitung hat zum ersten Mal einen der längeren Artikel Ernst Sittingers über die FH Joanneum in ihre Online-Ausgabe aufgenommen: Fachhochschul-Wirbel: Rektor zwischen Fronten. Damit ist er nicht nur dauerhaft öffentlich zugänglich archiviert, sondern auch verlinkbar und online diskutierbar. Allerdings sind Kommentare in der Kleinen selbst auf 1000 Zeichen beschränkt.

Kaum einem steirischen Politikern und auch nur wenigen an unserer Hochschule dürfte bewusst sein, dass durch Online-Publikationen eine neue Form der öffentlichen Diskussion möglich wird, die nicht von dem leicht kontrollierbaren Zugang zu dem beschränkten Platz in der gedruckten Zeitung abhängig ist. Leider machen die Betroffenen davon kaum Gebrauch. Wie ungewohnt diese Form der Öffentlichkeit ist, zeigen Kommentierer, die bedauern, dass die Diskussion überhaupt öffentlich geführt wird. Dabei demonstriert der Inhalt des Artikels, wie wichtig Öffentlichkeit wäre, damit Entscheidungen (in diesem Fall immerhin über eine der größten österreichischen Fachhochschulen) transparent und sachgerecht getroffen werden:

Ernst Sittinger hat die für die FH zuständige steirische Landesrätin Bettina Vollath zu einem fünfseitigen Brief befragt, den der Rektor der FH […] an den österreichischen Fachhochschulrat geschrieben hat, und in dem er die Unhaltbarkeit seiner eigenen Position (einerseits gewählter Vertreter des FH Kollegiums, andererseits weisungsgebundener Geschäftsführer) erläutert (Details im Artikel Ernst Sittingers). Die Antworten der Landesrätin sind ein Musterbeispiel für den politischen Versuch, Verantwortung zu verschieben, Sprachregelungen vorzunehmen und dabei auch wahrheitswidrige Behauptungen nicht zu scheuen. Der Rektor hat sehr wohl versucht, vor seinem Brief ein Gespräch mit der Landesrätin zu führen; ein Termin mit ihrem Referenten fand statt. Grund für den Schlamassel an der FH ist nicht eine unklare Rechtslage (GmbH-Recht versus Fachhochschulrecht), sondern der Unwille der Landesregierung und des FH-Aufsichtsrats, Forschung und Lehre an der FH Joanneum auch nur ein Minimum an Selbstbestimmung zuzuerkennen. Man möchte die FH nach außen mit dem Titel Hochschule schmücken und verwendet nach innen die GmbH-Strukturen, um die FH wie einen bürokratisierten Staatsbetrieb zu führen. Da lässt sich dann zum Beispiel Kritikern leicht mit der Keule des betriebsschädigenden Verhaltens drohen.

Die FH Joanneum ist eine aus öffentlichen Mitteln finanzierte Hochschule (wobei in Österreich übrigens der Bund 90% der Kosten jedes Studienplatzes deckt und die Kommunen die FH-Infrastruktur stellen; das Land, das die die FH kontrolliert, finanziert sie nur zu einem kleinen Teil). Es gibt keinen Gund dafür, dass Prozesse an einer solchen Institution nicht auch öffentlich diskutiert werden — wie sollen die Wähler sonst bei den nächsten Wahlen beurteilen, wie die Politiker mit ihren Mandaten umgegangen sind? Die tröpfelnde Diskussion über Ernst Sittingers Artikel zeigt, wie zögernd die neuen Formen der Öffentlichkeit, die das Web bietet, auf der regionalen und lokale Ebene angenommen werden. Aber sie ist ein Signal dafür, dass man politischen Sprachregelungen sofort und auf derselben Plattform widersprechen kann.

(Anmerkung, 13.4.2010: An der mit Auslassungszeichen versehenen Stelle wurde ein Name entfernt.)

Heute trifft sich der Aufsichtsrat der FH Joanneum. Ernst Sittinger berichtet in der Kleinen Zeitung über eines der Themen der Sitzung, nämlich die Geschäftsordnung des FH-Kollegiums. Leider ist der Artikel in der Online-Version nicht zu finden und damit einer Diskussion im Web mehr oder weniger entzogen.

Da ich Mitglied des FH-Kollegiums bin und die Auseinandersetzung zwischen dem Kollegium und dem Ausichtsrat durch den Artikel in die Öffentlichkeit gelangt ist, möchte ich zu zwei Punkten Stellung nehmen.

Zur Erklärung: Der Aufsichtsrat beansprucht das Recht, unsere Geschäftordnung nicht nur rechtlich zu prüfen, sondern auch in sie einzugreifen. Nach langen Diskussionen zwischen Aufsichtsratsvertretern und Geschäftsordnungsausschuss des Kollegiums blieb eine Frage über: Kann der Aufsichtsrat dem Kollegium vorschreiben, dass die kaufmännische Geschäftsführerin der FH an allen Sitzungen des Gremiums und seiner Ausschüsse teilnimmt? Der Aufsichtsrat versucht damit eine Person in das Kollegium zu setzen, die nicht Mitglied dieses Gremiums ist, und die auch keine wissenschaftlichen oder akademischen Funktionen hat. Warum? Offenbar weil er die Fachhochschule als Instrument der Landespolitik versteht und dabei sowohl den akademischen Anspruch der FH als auch die — ohnehin nur rudimentären — Elemente demokratischer Selbstverwaltung in der FH als Störungen interpretiert. Dem Kollegium soll klar gemacht werden, wo der Hammer hängt — nämlich bei der Landesregierung (die die FH durch die Streichung der Studiengebühren und den Versuch, die Medienstudiengänge in die Obersteiermark abzusiedeln, in erhebliche Schwierigkeiten gebracht hat).

Zwei Aussagen in Ernst Sittingers Artikel halte ich für problematisch. Ich nehme an, dass sie beide auf den Aufsichtsrat zurückgehen:

  1. Ernst Sittinger schreibt, dass die für Bildung zuständige Landesrätin entscheiden muss, welche Geschäftsordnung gilt: die vom Kollegium einstimmig verabschiedete, oder eine vom Aufsichtsrat oktroierte. Dem würde ich widersprechen (lieber in einem Kommentar in der Online-Ausgabe der Kleinen, wenn das möglich wäre.) Ein Gremium, das für akademische Selbstverwaltung und Qualitätssicherung zuständig ist, muss das Recht haben, sich selbst eine Geschäftsordnung zu geben. Als Appellationsinstanz gibt es den österreichischen Fachhochschulrat; an den kann sich die Landesregierung wenden, wenn das Kollegium seine Kompetenzen überschreitet. Ohnehin kann das Kollegium Entscheidungen, die nicht unmittelbar akademische Fragen berühren, nicht alleine treffen.

  2. Ernst Sittinger verweist auf ein Gutachten, dass der Aufsichtsrat angefordert hat, und das sich für eine Stärkung der Geschäftsführung ausspricht. Nonanet, sagt man zu so etwas in Österreich. Wenn der Aufsichtsrat ein Gutachten bestellt und vermutlich auch bezahlt, wird er kaum erfahren, dass er seine Kompetenzen überschreitet. Die Gelegenheit, mit dem Kollegium in einer Sitzung zu diskutieren, hat jedenfalls kein Aufsichtsratsmitglied wahrgenommen. Dabei hätte es feststellen können, dass im Kollegium nicht blutgierige Revoluzzer sitzen, sondern Lehrer und Wissenschaftler mit Erfahrungen in der Praxis, die sachlich arbeiten möchten, statt symbolische Politik ausbaden zu müssen.

Passt die Auseinanderstezung in dieses Blog, in dem ich über network literacies und Bildung schreiben möchte? Wie gesagt: In der Kleinen Zeitung kann die Diskussion leider nicht geführt werden. Und es gehört zu einem Blog, den lokalen Rahmen erkennbar zu machen, in dem man als knowledge worker arbeitet.

In ihrem Koalitionsabkommen (PDF, via Julian) erwähnen die Grazer Grünen und Volksparteiler die FH Joanneum gleich dreimal: Die bestehenden Studiengänge sollen am Standort Graz erhalten werden, die Stadt will ihre Mitbestimmungsrechte wahrnehmen (sprich: auf einem Sitz im Aufsichtsrat bestehen), die Kreativstudiengänge soll es weiter geben.

Immerhin ein positives Signal für unseren Studiengang! Zur Zeit fährt das Land Steiermark noch den entgegengesetzten Kurs. Journalismus und Medien z.B. sind zu Unworten geworden, die in den Bezeichnungen von Masterstudiengängen nicht vorkommen sollen. Symbolische Politik für die Obersteiermark rangiert für die Landes-SPÖ offenbar noch immer vor den Bedürfnissen der Medien- und Kreativwirtschaft.

Im Herbst startet ein neuer internationaler Studiengang New Media Journalism. Träger sind sind das Masterprogramm Medien Leipzig an der Universität Leipzig, die Hamburger Akademie für Publizistik, das Kuratorium für Journalistenausbildung in Salzburg und die Schweizer Journalistenschule in Luzern. Ich wünsche den Kollegen alles Gute und hoffe, dass einige unserer Absolventen diesen — dringend nötigen — Ausbildungsgang besuchen werden.

Ich schreibe das nicht ohne Bitterkeit. An der Grazer FH Joanneum hat die SPÖ-geführte Landesregierung vor genau einem Jahr einen berufsbegleitenden Masterstudiengang Web Publishing und Digitale Kommunikation gestoppt — ohne Angaben von Gründen, ohne Diskussion und trotz nachgewiesenen Bedarfs in der Wirtschaft und bei potenziellen Studierenden. Wer aus der Steiermark kommt und sich für den Journalismus im Web ausbilden lassen möchte, wird sich jetzt wohl nach Salzburg und nicht nach Graz orientieren müssen. Die hiesige SPÖ — die zuletzt beim Grazer Kommunalwahlkampf demonstriert hat, dass sie Wörter wie Öffentlichkeit, Medien und Journalismus nicht buchstabieren will — hat auf den Vorsprung bei einem Zukunftsthema freiwillig verzichtet.

Christian Fleck hat gestern in der Kleinen Zeitung* den Rektor der KFU kritisiert. Der hatte öffentlich verkündet, man werde auch den einen oder anderen Star an die die Universität holen und es zum Ziel seiner Arbeit erklärt, der KFU eine Spitzenposition unter den Universitäten Europas zu sichern. Dabei, so Fleck, erreiche die KFU in keinem der bekanten Rankings einen besseren als den 200. Platz. Sie könne auch weiterhin ihren Beschäftigten keine Arbeitsbedingungen bieten, die Spitzenleistungen wahrscheinlich machen.

Ich kann nicht beurteilen, ob Fleck Recht hat. Bemerkenswert und vorbildlich finde ich, dass er die Leitung der Hochschule, an der er arbeitet, öffentlich kritisiert.

Ich weiß schon, dass man das nicht tut:

beginnt Fleck seinen Kommentar, um fortzufahren:

Weder beschmutzt man seinen Betrieb in der Öffentlichkeit, noch kritisiert man seine Chefs dort. Doch die Universität ist eine andere Art von Betrieb und ihre Zukunft wichtiger als die Befindlichkeit ihrer Chefs.

So ist es. Hochschulen haben wichtige öffentliche Aufgaben und werden öffentlich finanziert. Lehrenden an Hochschulen wird die Autonomie garantiert. Hochschulen sind Orte des Diskurses, an denen Entscheidungen in einem rationalen Konsens gefunden werden sollten. Wer an einer Hochschule unterrichtet, ist zur öffentlichen Diskussion über seine Arbeitsbedingungen nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, wenn Lehre und Forschung behindert werden — sei es durch politische Fehlentscheidungen, sei es durch machtverliebte Wissenschaftsmanager.

Christian Flecks Artikel ermutigt mich, Führungsentscheidungen an der Hochschule, an der ich arbeite, auch weiterhin zu kritisieren — und dabei die Öffentlichkeit vor allem dann nicht zu scheuen, wenn interne Diskussionen behindert oder unterbunden werden sollten. An der Fachhochule, an der ich unterrichte, kursiert der Satz: Wir sind nicht nur eine Hochschule, wir sind auch ein Unternehmen. Er ist falsch. Das Unternehmen FH Joanneum dient ausschließlich dazu, die Hochschule zu betreiben; das österreichische Fachhochschul-Studiengesetz erlaubt privatrechtlich verfasste Fachhochschulen nur, wenn der Hochschulbetrieb der wesentliche Unternehmenszweck ist.

Christian Flecks umfangreiche und sorgfältig gepflegte Website zeigt, dass er verkörpert, was man (naiverweise?) von einem Professor erwartet (das Wort Professor kommt von bekennen): Er nimmt öffentlich Stellung, wo er es aufgrund seines Wissens besser als andere argumentieren kann — und dabei ist er sich übrigens nicht zu schade, sich um das Geschehen in dem von seinen eigenen Bürgern gelegentlich als Kleinstadt verachteten Graz zu kümmern.

* (Print-Ausgabe vom 29.11.2007) Die Kleine Zeitung hält ihre besten Artikel leider immer noch für online-unwürdig, so dass ich ihn nicht verlinken kann. Da Fleck seine Zeitungsbeiträge auf auf seine Website stellt, wird man den Text sicher bald online nachlesen können.

Seit dem Mittwoch der vorletzten Woche habe ich mich hier fast nur mit FH-Themen beschäftigt. Wie andere Kollegen bin ich in dieser Zeit energisch dafür eingetreten, dass der Studiengang, an dem ich beschäftigt bin, in Graz bleibt. Wir haben schneller als erwartet erreicht, dass die Umzugspläne, die rein politische Gründe hatten, zurückgenommen wurden. Am Donnerstag hat das FH-Kollegium (dem ich angehöre) entschieden, die Weiterentwicklung von Studien- und Standortkonzepten in einem echten partizipativen Prozess des Kollegiums und der zuständigen Organe der FH JOANNEUM selbst voranzutreiben. Damit nehmen die FH-Professoren und -Studenten die Hochschulautonomie, die ihnen formal vor einigen Monaten zugesichert wurde, zum ersten Mal auch tatsächlich wahr.

Ich kann mich hier also endlich wieder mit anderen Themen beschäftigen. Heute und vielleicht auch in den kommenden Tagen möchte ich aber doch noch ein paar Gedanken und Ideen zu den Auseinandersetzungen der letzten Tage notieren. Sie betreffen die politische Situation der Hochschule, die Rolle der Öffentlichkeit in dem Konflikt und die Funktion der verschiendenen Kommunikationsmedien. Ich bitte Leser, denen die FH Joanneum etwas ferner steht, um Verständnis und Weiterlesen in anderen Beiträgen.

Stadt Graz als Gegengewicht zum Land

Zum politischen Kontext: Die Stadt Graz will ihre Einflussmöglichkeiten auf die FH Joanneum in Zukunft wahrnehmen — hoffentlich nicht eine weitere Politisierung auf einem Gebiet, auf dem Entpolitisierung und Unabhängigkeit von der politisch agierenden Landesverwaltung notwendig ist! Für die Medien- und Designstudiengänge, die in den strategischen Konzepten der Landesregierung keinen Platz hatten, bedeutet das eine Stärkung. Unterschiedliche Stimmen auf der Seite des Erhalters werden die FH-eigenen Gremien eher stärken als schwächen.

Bruch mit der johanneischen Mentalität

Wenn ich die Botschaft der vergangenen Woche in einem Satz zusammenfassen müsste, würde er lauten: Politiker und Bürokraten — lasst die Hochschule in Ruhe! Ein Kollege, den ich sehr schätze, hat in der vergangenen Woche davon gesprochen, dass die Steiermark endlich mit der johanneischen Mentalität brechen müsse, die die Demokratie hier noch immer behindere. Die Entscheidungswege seien nach wie vor feudal. Nach wie vor sei eingewurzelt, dass es die oben und die unten gibt, diejenigen die wissen und entscheiden dürfen, und diejenigen, die ruhig bleiben, wenn über sie verfügt wird. (Ob man diese Mentalität tatsächlich dem Erzherzog Johann anlasten muss?)

Mit der landeseigenen Hochschule wurde genau nach diesen johanneischen Prinzipien verfahren: Politik und Verwaltung wissen, was für die Hochschule gut ist, definieren in kleinsten Kreisen strategische Ziele und setzen diese dann mit dem Recht des Eigentümers um. Tatsächlich wird die FH Joanneum immer wieder als Landesbesitz bezeichnet. Dabei befindet sich lediglich die Betreibergesellschaft, der so genannte Erhalter der Fachhochschulstudiengänge, im Landeseigentum; die Fachhochschulstudiengänge selbst und die Fachhochschule als ganze sind autonom; sie lassen sich nicht adäquat als Besitz und schon gar nicht als Besitz des Landes beschreiben. Das Land bzw. die ihm gehörende Gesellschaft kann sich weigern, die Studiengänge über die bereits zugesagten Fristen hinaus zu finanzieren, es kann sie aber nicht im Sinne eines Unternehmens führen. Privatrechtliche Betreibergesellschaften wie bei der FH Joanneum sind in Österreich nur zugelassen, soweit deren Unternehmensgegenstand überwiegend die Errichtung, Erhaltung und der Betrieb von Fachhochschul-Studiengängen ist. Das heisst doch wohl: Sie dienen im Wesentlichen bildungspolitischen und nicht z.B. regionalpolitischen Zielen.

Zielvorgaben statt politischer Einmischung

Ich hoffe, dass der mediale und politische Sturm der vergangenen Wochen allen gezeigt hat, dass Politik und Verwaltung überfordert sind, wenn sie sich inhaltlich in die Entwicklung von Hochschulen einschalten. Die inhaltlichen Fragen sollten von den hochschulischen Gremien beantwortet werden, die dazu vorgesehen sind. Land und Kontrollgremien sollten nicht mitgestalten, sondern Ziele und Kriterien definieren, die für jeden nachvollziehbar sind und die Interessen der Wähler in Vorgaben für die FH übersetzen. Wenn die Politiker die Lektion, die ihnen Studenten, Lehrende und Medien erteilt haben, begreifen, können sich endlich alle Interessierten und Sachkundigen an spannenden — und hoffentlich öffentlichen — Diskussionen über die Zukunft der FH Joanneum beteiligen.

In den diversen Weblogs zum Thema „Fachhochschule“ stolpert man ständig über „Provinz“, „Kaff“, „Hinterstinkenbrunn“ und andere wenig schmeichelhaften Bezeichnungen,

schreibt Franz Pototschnig in der Mürztaler Ausgabe der Kleinen (während Frido Hütter heute im Kulturteil vorschlägt, die Grazer Oper nach Bad Radkersburg zu verlegen.) Mich würde interessieren, welche Weblogs gemeint sind. Suchen nach Hinterstinkenbrunn bei der Google Blog-Suche, bei IceRocket oder bei Technorati führen jedenfalls nicht zu Ergebnissen.