Manfred Weber meint erreicht zu haben, dass die EU von den Autoherstellern ab 2035 nicht mehr 100%, sondern nur 90% weniger Emissionen fordert (ZDFheute, 2025). Das bedeutet, grob gerechnet:

  • Es werden 2035 mehr als 500.000 PKWs mit Verbrennungsmotoren zugelassen. (Im Vergleichsjahr 2021 hatten ca. 60% der 9,7 Millionen verkauften PKWs herkömmliche Diesel und Benzinmotoren, European Automobile Manufacturers’ Association, 2022, S. 44); hinzu kommen Nutzfahrzeuge.
  • Jedes dieser Autos wird in seiner Lebenszeit 50 Tonnen und mehr CO2eq ausstoßen (Fritz et al., 2021, S.27). (Oder aber, das würden diese Grenzwerte auch erlauben, eine größere Anzahl von Autors stößt pro Stück weniger, aber insgesamt dieselbe Menge Treibhausgase aus.)
  • Das würde nach der sogenannten 1000-Tonnen-Regel (etwa 1000 Tonnen CO2eq werden, statistisch gesehen, den Tod eines Menschen bewirken, Cassella, 2023) zu 25.000.000 / 1000, also etwa 25.000 zusätzlichen Klimatoten durch die in einem Jahr zugelassenen Verbrenner führen.

Das ist eine grobe Überschlagsrechnung. Aber sie arbeitet mit vorsichtigen Annahmen. (Die 2021 verkauften Hybrid- und Plugin-Hybridfahrzeuge und die Nutzfahrzeuge sind nicht berücksichtigt.) Sie zeigt nur, um welche Größenordnung es geht.

Weber und Co., das ist sicher, sind Schreibtischtäter. Sie sind bereit, Tausende von Menschenleben zu opfern, um kurzfristige wirtschaftliche und politische Ziele zu erreichen.

(Dies ist ein Blogpost, ich habe mit schnell zusammengesuchten Quellen gearbeitet. Ich bitte um Korrekturen und Präzisierungen.)

Cassella, C. (2023, August 30). Scientists Warn 1 Billion People on Track to Die From Climate Change. ScienceAlert. https://www.sciencealert.com/scientists-warn-1-billion-people-on-track-to-die-from-climate-change
European Automobile Manufacturers’ Association (Ed.). (2022, September). ACEA Pocket Guide 2022-2023. https://www.acea.auto/files/ACEA_Pocket_Guide_2022-2023.pdf
Fritz, D., Heinfellner, H., & Lambert, S. (2021). Die Ökobilanz von Personenkraftwagen: Bewertung alternativer Antriebskozepte hinsichtlich CO2-Reduktionspotential und Energieeinsparung. Umweltbundesamt GmbH.
ZDFheute. (2025, December 11). Verbrenner-Aus vor Rücknahme: EU-Kommission will Pläne wohl kippen. ZDFheute. https://www.zdfheute.de/politik/ausland/eu-verbrenner-aus-gekippt-100.html
Fediverse Reactions

Die Ausgangssituation für die Klimabewegung hat sich so grundlegend verändert, dass der Ausdruck „Klimabewegung“ anachronistisch geworden ist. Die Trump-Regierung arbeitet an und in einem Bündnis mit den arabischen Petrostaaten und mit Russland. Wie erleben wie in einem dystopischen Film, wie mafiöse Milliardärs-Oligarchien die geopolitische Dominanz anstreben. Eines ihrer wichtigsten Ziele ist es, die lebenserhaltenden Systeme des Planeten unbehindert zerstören zu können. Das ist der Hintergrund der sogenannten Friendensgespräche zum Gaza- und zum Ukraine-Krieg.

Continue reading

Vergabe des Courageous Scientists Award for Environmental and Climate Justice im Porgy&Bess am 15.11.25. Bild: (c) Eckhart Derschmidt

Ich habe hier schon etwas länger nichts Längeres mehr geschrieben. Ein Grund ist dafür, dass ich in den letzten Wochen an der Vorbereitung der ersten Vergabe des Courageous Scientists Award for Environmental and Climate Justice beteiligt habe, darunter an der Pressearbeit. (Erfolgreich war dieser Teil der Vorbereitungen bisher nicht. Bisher sind in österreischischen Zeitungen nur zwei Artikel über den Preis erschienen, die durch persönliche Kontakte anderer Mitglieder unserer Gruppe angeregt wurden [Machreich, 2025; Pack-Homolka, 2025].)

Continue reading

Mein letzter Artikel im @ausreisser ist jetzt auch online zu lesen: Tabuthema Flughafen Graz. (Ich schreibe dort die Kolume StadtStoffWechsel.)

Passend zum Thema heute in der Kleinen Zeitung: 1 Million Euro: Mit diesen Maßnahmen will Graz Touristen aus dem Ausland anlocken (Gangl, 2025). Zitat:

Warum der Fokus auf die Flugdestinationen? Michael Feiertag (Geschäftsführer der STG) beschreibt es so: „Es kommen noch immer zu wenige Urlaubsgäste per Flugzeug in die Steiermark.“ Die brauche es aber: Im Österreich-Vergleich gebe der Fluggast um 37 Prozent mehr aus als der Auto-Anreisende.

Die Emissionen des Flugverkehrs sind der Autorin des Artikels nicht einmal einen Halbsatz wert. Dafür darf wieder einmal Helmut Marko – der in Graz am meisten verehrte der Männer, die die Welt verbrennen – lobbyieren, diesmal zusammen mit Mario Kunasek.

Gangl, V. (2025, November 6). 1 Million Euro: Mit diesen Maßnahmen will Graz Touristen aus dem Ausland anlocken. https://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/20276183/mit-diesen-massnahmen-will-graz-touristen-aus-dem-ausland-anlocken
Fediverse Reactions

Click here to display content from YouTube.
Learn more in YouTube’s privacy policy.

Kurz vor der COP30 hat Bill Gates es mit einem sogenannten „Memo“ (Gates, 2025) geschafft, die mediale Aufmerksamkeit von den negativen Daten zur Entwicklung des Klimas und den weiter steigenden Emissionen abzulenken. In seinem Memo stellt er die Klimakrise als hochgespieltes Problem dar.

Trump, bei dem Gates mit anderen Tech-Milliardären erst kürzlich zum Abendessen eingeladen war (Gann et al., 2025), feierte das Memo als Erfolg (Shockey, 2025). Auch Gates habe erkannt, dass die Klimakrise ein erfundenes Problem sei. Gates hat das als „gigantic misreading“ zurückgewiesen (Harder, 2025).

Covering Climate Now hat gestern vier bekannte US-Klimawissenschaftler:innen – Kim Cobb, Zeke Hausfather, Katharine Hayhoe und Daniel Swain – zu einer öffentlichen Zoom-Konferenz eingeladen, um schnell auf Gates‘ PR-Aktion zu reagieren. Die Aufnahme des von Sammy Roth moderierten Events wurde auf YouTube publiziert (Covering Climate Now, 2025).

Continue reading

Cover des Climate Inequality Reports 2025

Ich kenne keinen besseren zusammenfassenden Text zur Klima-Ungerechtigkeit und zu einer wirksamen Politik gegen die voranschreitende Klimakrise als den neuen Climate Inequality Report (Chancel et al., 2025). Knapp und mit verständlichen Infografiken stellen Lucas Chancel, Cornelia Mohren und ihre Mitarbeiter:innen am World Inequality Lab die aktuellen Daten zu den Beziehungen zwischen unterschiedlich verteiltem Reichtum und Treibhausgas-Emissionen dar. Ausgehend von dieser Darstellung formulieren sie politische Maßnahmen gegen die Klimakrise. Diese Maßnahmen halte ich für die Basis eines Konsenses aller politischen Kräfte, die die globale Erhitzung wirksam bekämpfen wollen:

  1. ein Verbot aller Investionen in zusätzliche fossile Energieträger,
  2. eine Besteuerung von Vermögen, die sich an der Verursachung von Emissionen durch Konsum und vor allem durch Investitionen orientiert,
  3. massive, vor allem durch Steuern finanzierte öffentliche Investitionen in die Dekarbonisierung im Sinne des Pariser Abkommens.

Die aktuelle Klimapolitik in Europa – ganz zu schweigen von den USA – ist weit von diesen Maßnahmen entfernt. Sie orientiert sich viel mehr an den Interessen der Allerreichsten als an dem Ziel, die globale Erhitzung aufzuhalten. Auf diese macht- und geopolitische Dimension der Klima-Ungerechtigkeit geht der Climate Inequality Report nur indirekt ein.

Continue reading

Fressoz kritisiert in Le GIEC et l’histoire : les racines d’un malentendu (deutsch wörtlich: Der IPCC und die Geschichte: Die Wurzeln eines Missverständnisses, Fressoz, 2024a) die Ansicht, ein „Übergang“ zu erneuerbaren Energien werde zu der nötigen Dekarbonisierung des Energiesystems führen. Als Historiker stellt er fest, dass „phasenorientierte“ (frz: phasiste) Modelle technologischen Wandels den Entwicklungen der Vergangenheit und der Gegenwart nicht entsprechen. Neue Technologien setzen sich fast immer zusätzlich zu älteren durch, statt sie abzulösen. Ältere Technologien und die zu ihnen gehörenden Materialien werden durch die Verwendung neuerer Technologien umdefiniert, aber kaum abgelöst.

Continue reading

Durch Zufall bin ich auf den Aufsatz Nationalism and Climate Change von Daniele Conversi gestoßen (Conversi, 2023). Conversi beschäftigt sich in diesem Review-Artikel vor allem mit dem Nationalismus als Hindernis für den Kampf gegen das, was er Anthropozän-Krise nennt. Er teilt die Befürchtung, dass die Menschheit durch diese Krise „aus der Geschichte vertrieben werden könnten“. Er verweist auf sehr viel Literatur, u.a. auf das Buch Overheating (Eriksen, 2016) des verstorbenen Thomas Hylland Eriksen, auf Ernest Gellner, Dipesh Chakrabarty und Prasenjit Duara. Ausführlich stellt er den „Ressourcen-Nationalismus“ (Resource Nationalism) der Petrostaaten (mit vielen Verweisen, u.a. zur OPEC) und die Verbindung von Nationalismus und Klimaleugnung dar. Am Ende seines vielschichtigen Aufsatzes fragt Conversi:

As climate change relentlessly advances across the planet, we have to face a central question: is there a real risk that nationalism may become the default response, so that, instead of international collaboration, unprecedented acrimony and conflict becomes the automatic setting and response? [p. 219]

Continue reading