Twitter hat mich eben auf diesen Tweet von Greta Thunberg hingewiesen, den auch Michael Mann geliket hat:

Ich habe mir die Seite des Reports des Weltklimarats (deutsch hier) herausgesucht und angesehen. Sie enthält vor allem diese Tabelle:

Das bedeutet im Kern, dass weltweit noch ca. 420 Gigatonnen CO2 freigesetzt werden können, um die Erderwärmung mit 66% Wahrscheinlichkeit auf 1.5° zu beschränken.

Um sicherzugehen, dass ich die Tabelle richtig verstehe, habe ich via Google u.a. dieses Zitat auf der Site des -Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Changegefunden:

Der Sonderbericht vom Oktober 2018 präsentiert neue Zahlen. Demnach können noch knapp 420 Gigatonnen (Gt) CO2 in die Atmosphäre abgegeben werden, um das 1,5-Grad-Ziel nicht zu verfehlen. Da die Welt jedoch jedes Jahr circa 42 Gt an CO2 ausstößt – rechnerisch entspricht dies 1332 Tonnen pro Sekunde – dürfte dieses Budget in gut neun Jahren aufgebraucht sein. Das Budget von circa 1170 Gt für das Zwei-Grad-Ziel wird in etwa 26 Jahren erschöpft sein.

Diese Zahlen sind nicht neu und sprechen für sich selbst. Ich notiere sie hier vor allem als Material für Präsentationen. Wer der Klimawissenschaft, Fridays For Future, Greta Thunberg persönlich und Bewegungen wie Extinction Rebellion vorwirft, dass sie zu radikal sind, hat diese Fakten nicht verstanden oder will nicht, dass man sie versteht.

Morgen beginnt in Darmstadt wieder das Content Strategy Camp. Ich kann in diesem Jahr leider nicht teilnehmen. Die folgenden Thesen hätte ich dort sonst in einer Session vorgestellt. Sie sind auch als ein Beitrag unseres Studiengangs zum Global Climate Strike gedacht (wobei ich für den Inhalt allein verantwortlich bin). Ich habe mich selbst entschlossen, mich in der Lehre auf die möglichen Beiträge der Content-Strategie zu einer Postwachstums-Gesellschaft zu konzentrieren und in unserer Ausbildung alles zu unterlassen, was Unternehmen unterstützt oder unterstützen könnte, deren Tätigkeit die ökologische Situation weiter verschlimmert.

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Links, die ich für die Grazer Extinction Rebellion Gruppe gesammelt habe:

Aktivismus

It’s Greta Thunberg’s World

Artikel von David Wallace-Wells über Greta Thunberg. Wallace-Wells zweifelt daran, dass die Pariser Klimaziele noch erreicht werden können. Er sieht Greta Thunberg als letzte Vertreterin einer Klimabewegung der ersten Generation, die in der Hoffnung handelt, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur globalen Erhitzung ganz oder wenigstens größtenteils politisch umgesetzt werden. Der Artikel ist glänzend geschrieben. Die Positionen von Wallace-Wells wurden aber von Wissenschaftlern wie Michael Mann als letztlich überzogen und lähmend kritisiert.

Money Is the Oxygen on Which the Fire of Global Warming Burns.

Dieser Artikel von Bill McKibben, einem der wichtigsten amerikanischen Klima-Journalisten und Aktivisten, ist auf Twitter vielfach empfohlen werden. McKibben sieht die nahezu einzige Chance, die globale Erhitzung noch zu stoppen, darin, der Kohle-, Öl- und Gasindustrie die Finanzierung zu entziehen. Er fordert zu massiven Kampagnen für ein Desinvestment der Banken, Versicherungen und Investment-Fonds (wie Blackwater), ohne die die fossil fuel industry nicht überleben könnte. Der Artikel ist ausführlich belegt; McKibben greift auf viel Erfahrung mit ähnlichen Kampagnen zurück.

Wirtschaft

The Massive Cost of Not Adapting to Climate Change

Bloomberg-Artikel über den Bericht des Global Center on Adaptation, zu dem Kristalina Georgieva, die Präsidentin der Weltbank, der frühere UN-Generalsekretät Ban-Ki Moon und Bill Gates gehören. Der Bericht informiert über die gigantischen Kosten, die auf die Welt zukommen, wenn die globale Erhitzung nicht gestoppt werden. Er enthält auch Berechnungen über die Investitionen, die nötig sind, um die katastrophale Entwicklung zu stoppen oder wenigstens zu bremsen. So würde eine Investition von 1,8 Trillionen Dollar bis 2030 insgesamt 7,1 Trillionen Dollar Ertrag versprechen. Der Bericht fordert vor allem dazu auf, die aktuellen Risiken deutlich zu machen.—Die Konzepte hinter diesem Bericht sind, wenn ich es richtig sehe, zu wachstumsorientiert. Die Zahlen selbst sind für Argumentationen aber sehr wertvoll.

Politik/Bücher

On Fire: The Burning Case for a Green New Deal

Michael Mann empfiehlt Naomi Kleins Buch On Fire: The Burning Case for a Green New Deal, obwohl er mit Klein inhaltlich in vielen Punkten nicht übereinstimmt. Mann glaubt nicht, dass man den Klimanotstand rechtzeitig bekämpfen kann, wenn man dieses Ziel mit dem Kampf gegen den Neoliberalismus insgesamt eng koppelt. Es handelt sich um eine Schlüsselauseinandersetzung in der Klimabewegung. Manns Kritik betrifft nicht Kleins Ziele, sondern den Weg dorthin.

Fast ein Schulbeispiel für eine absichtliche oder (wahrscheinlicher) unbeabsichtigte und unbemerkte manipulative Argumentation. Fast alle Sätze stimmen, aber durch Ignorieren oder Verschweigen der entscheidenden Fakten zum Klimanotstand ist die Gesamtargumentation verfehlt und gegenaufklärerisch. Sollte einem Philosophen nicht passieren.

Dass die Stadt Graz einen Klimaschutzfonds einrichtet und auf die Plabutschbahn verzichtet, ist eine gute Nachricht. Die Selbstbelobigung vor der Tat stimmt allerdings skeptisch: Volle Kraft voraus für den Klimaschutz. Wer verfolgt, was andere Städte machen, weiß, das Graz hier ganz am Anfang steht. Kopenhangen will bis 2025 CO2-neutral sein und setzt auch deshalb bei der innerstädtischen Mobilität auf das Fahrrad.

Für morgen sind eine Pressekonferenz und die Vorstellung eines Klimabeirats angekündigt: Klimaschutz statt Plabutschgondel. In der Kleinen Zeitung (Paywall) ist davon die Rede, dass GreenTech-Unternehmen präsentiert werden sollen. Ich hoffe, dass es nicht vor allem um weitere Wirtschaftsförderung geht, sondern um wirksame Einschnitte da, wo Treibhausgase produziert werden—vom innerstädtischen Verkehr und der CO2-Erzeugung bei Neubauten über den Flughafen bis hin zu der grässlichen Burger-Kultur in den Lokalen. Wenn eine reiche, naturnahe Stadt wie Graz keine Schubumkehr schafft, dann gibt es auch weltweit wenig Chancen für eine Kreislauf-Wirtschaft.

Die Klimakrise macht verrückt, schreibt Latour—davon kann ich mich nicht ausnehmen. Es ist wahrscheinlich unangemessen und vielleicht sogar lächerlich, ein epochales Phänomen wie die globale Erhitzung in einem Blog mit Thesen zu begleiten. Ich habe die folgenden Thesen formuliert, um meine Gedanken zu ordnen und um mich in Diskussionen auf sie beziehen zu können. Wichtiger als diese Thesen selbst sind mir ihre Konsequenzen etwa in Content-Strategie und Webkommunikation oder bei lokalen politischen Aktionen. Ich freue mich über Widerspruch und Diskussion.

Copyright: Visuelle Darstellung der „planetary boundaries“ nach Johan Rockström et al. 2009; Felix Mueller CC-BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Copyright: Visuelle Darstellung der „planetary boundaries“ nach Johan Rockström et al. 2009; Felix Mueller CC-BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

1. Disruption

Die Klimakrise und das Durchbrechen der Planetary Boundaries führen zu disruptiven Veränderungen, die alle gesellschaftlichen Veränderungen, zu denen es seit 1950 gekommen ist (Übergang zur Wissensgesellschaft, Digitalisierung, Globalisierung) um Dimensionen übertreffen. Im 21. Jahrhundert wird es keine wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und technischen Entwicklung geben, die unabhängig von der Klimakrise eingeschätzt und gesteuert werden kann.

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