Durch ein Interview mit Jonathan Franzen (Franzen 2023) bin ich auf Dale Jamieson und sein Buch Reason in a Dark Time (Jamieson 2014) gestoßen.

Cover von: Jamieson, Reason in a Dark Time
Cover von: Jamieson, Reason in a Dark Time

Der Untertitel des Buchs ist: Why the Struggle Against Climate Change Failed—and What It Means for Our Future.

Fasziniert habe ich bisher den Beginn und die beiden Schlusskapitel gelesen. Als eine Art Zwischenergebnis und Voraussetzung für die weitere Lektüre versuche ich zu formulieren, was seine Position ausmacht—wobei ich die Kapitel, in denen er die Klimapolitik bis 2014 (das Erscheinungsjahr des Buchs) analysiert, noch nicht gelesen habe. Es hängt mit Jamiesons analytischer Methode zusammen, dass sich seine Position nicht in wenigen Sätzen zusammenfassen lässt.

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Sehr hörenswert. Einerseits, weil gut dargestellt wird, wie die Fossilindustrie seit den 70er Jahren PR zur Vernebelung der Folgen ihrer Geschäfte verwendet—nicht neu, aber hier sehr gut zusammengefasst. Andererseits, weil der Podcast über Kampagnen, vor allem Clean Creatives, informiert, die dieser Branche die social licence to operate entziehen wollen. Sie stellen PR-Firmen und Anwaltsbüros an den Pranger, die für die Fossilindustrie arbeiten. Die eingeladenen Gäste kennen sich sehr gut aus. Die Seite enthält ein vollständiges Transskript der Folge.

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Einige der bekanntesten Vertreter der Erdsystemwissenschaft haben jetzt in The emergence and evolution of Earth System Science (Steffen et al. 2020) die Geschichte dieser, wie es in dem Artikel heisst, transdisziplinären Wissenschaft dargestellt. Der Artikel macht verständlich, in welchen wissenschaftlichen Zusammenhang Publikationen zu den planetaren Grenzen, zum Anthropozän und zu Kipp-Punkten und Kaskaden von Kipp-Punkten gehören.

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Charlotte Brives, Pierre Charbonnier und Bruno Latour haben sich in den letzten Wochen zur Coronakrise geäußert. Sie stellen zur Covid-19-Pandemie Fragen wie: In welchem Verhältnis steht die Pandemie zu den großen, miteinander verbundenen ökologischen Krisen? Was verändert sie in unseren Gesellschaften—was zeigt sich in ihr über unsere Gesellschaften? Sie kritisieren die vorschnellen Antworten der nationalstaatlich orientierten Politik, des neoliberalen und auch des herkömmlich linken ökonomischen Determinismus und einer vorgeblich überpolitischen Ökologie. Die Forderung nach einer lokalisierten Zivilgesellschaft, die das Territorium, das Gelände nicht als Außen begreift, sondern sich mit ihm vernetzt, ist für mich das wichtigste Thema nach der ersten Lektüre dieser Texte.

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Im Zug zurück von London habe ich zwei Essays gelesen, deren Autoren daran zweifeln, dass die Menschheit die Klimakrise durch organisiertes kollektives Handeln abwenden wird: Climate change: ‚We’ve created a civilisation hell bent on destroying itself – I’m terrified‘ von James Dyke und No Happy Ending: On Bill McKibben’s “Falter” and David Wallace-Wells’s “The Uninhabitable Earth” von Roy Scranton.

Beide Aufsätze sind Interpretationen und Kritiken von Publikationen zum Anthropozän und zur Klimakrise. Scranton rezensiert die Bücher Falter von Bill McKibben und The Uninhabitable Earth von David Wallace-Wells. Dyke bezieht sich auf eine Reihe von wissenschaftlichen und politischen Texten. Im Mittelpunkt steht für ihn das Konzept der Technospäre (englisch: technosphere), das Peter Haff in Humans and technology in the Anthropocene: Six rules dargestellt hat. Wichtige Ausgangspunkte für Dyke sind auch die Theorie der Nine planetary boundaries und der Begriff der Großen Beschleunigung, der in The trajectory of the Anthropocene: The Great Acceleration formuliert wurde.

Scranton und Dyke fragen, ob das Engagament der Aktivisten gegen die Klimakrise auf Illusionen beruht. Es geht in beiden Aufsätzen um die kollektiven Akteure, an die der Aktivismus gegen die Klimakrise appelliert. Dyke sagt im Anschluss an Haff, dass ein neuer Akteur, die Technosphäre, an die Stelle der Menschheit getreten ist, dass die Geschichte also gar nicht mehr von Menschen gemacht wird, sondern von einem autonom agierenden technischen Komplex. Scranton ordnet die Vorstellung einer kollektiv handeldenden Menschheit einem naiven narrativen Konzept zu—der alten Erzählung vom Sieg des Guten gegen alle Widerstände. Scranton und Dyke halten es nicht nur für möglich, sondern für wahrscheinlich, dass die Klimakrise tragisch ausgeht—mit den Katastrophen, die David Wells in seinem Buch und davon in seinem Artikel im New York Magazine beschrieben hat.

Beide Texte sind gelehrte Essays und enthalten eine Fülle von Verweisen. Ich verstehe sie als Ausgangspunkte für weitere Lektüre. Ich möchte sie und die Texte, auf die sie sich beziehen, vor dem Hintergrund der Akteurs- und Aktionskonzepte lesen, die von Bruno Latour und in seinem Umkreis entwickelt
wurden.

Die Leitfrage für mich ist hier: In welchen Beziehungen stehen wissenschaftliche Inhalte und öffentliche Diskussion? Wie greifen wissenschaftliche, politische und literarische Diskurse hier ineinander? Dazu gehört auch: Welches sind die Rollen und die Strategien von Autoren angesichts der ökologischen Katastrophe? Diese beiden Aufsätze sind keine nüchtern geschriebenen Rezensionen. Sie denken andere Texte weiter—auch da, wo deren Autoren selbst vor den Folgerungen aus ihren Überlegungen zurückschreckten. Sie artikulieren—ich kann es nur so vorläufig und oberflächlich formulieren—die existenzielle Dimension der ökologischen Krisen.


Ich bin durch Tweets auf diese Texte aufmerksam geworden, durch diesen und andere.