Durch Zufall bin ich auf den Aufsatz Nationalism and Climate Change von Daniele Conversi gestoßen (Conversi, 2023). Conversi beschäftigt sich in diesem Review-Artikel vor allem mit dem Nationalismus als Hindernis für den Kampf gegen das, was er Anthropozän-Krise nennt. Er teilt die Befürchtung, dass die Menschheit durch diese Krise „aus der Geschichte vertrieben werden könnten“. Er verweist auf sehr viel Literatur, u.a. auf das Buch Overheating (Eriksen, 2016) des verstorbenen Thomas Hylland Eriksen, auf Ernest Gellner, Dipesh Chakrabarty und Prasenjit Duara. Ausführlich stellt er den „Ressourcen-Nationalismus“ (Resource Nationalism) der Petrostaaten (mit vielen Verweisen, u.a. zur OPEC) und die Verbindung von Nationalismus und Klimaleugnung dar. Am Ende seines vielschichtigen Aufsatzes fragt Conversi:

As climate change relentlessly advances across the planet, we have to face a central question: is there a real risk that nationalism may become the default response, so that, instead of international collaboration, unprecedented acrimony and conflict becomes the automatic setting and response? [p. 219]

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Ausführlicher Artikel von David Wallace-Wells zum globalen Backlash in der Klimapolitik (Wallace-Wells, 2025). Wallace-Wells schreibt lange über alles, was seit dem Pariser Abkommen nicht stattgefunden hat, und vor allem darüber, dass seit 2015 fast überall auf der Welt der klimapolitische Ehrgeiz nicht – wie im Pariser Abkommen vereinbart – schrittweise zugenommen, sondern dass er immer mehr abgenommen hat. Dabei stellt Wallace-Wells fest, dass 2015 und kurz danach viele in den westlichen Eliten an Wirtschaftswachstum durch grüne Investitionen glaubten und nach der Krise von 2008 auf Dekarbonisierung als positiven ökonomischen und gesellschaftlichen Trend setzten.

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Der Standard bringt heute ein langes Interview zur Festlegung der europäischen Klimaziele, dass Benedikt Narodoslawsky mit Kywan Riahi geführt hat (Narodoslawsky 2025b). Riahi sagt deutlich, dass Europa bis 2050 nicht CO2-neutral werden kann, wenn die Emissionen nicht bis 2040 um 90% gesenkt werden. Der Standard hat in der letzten Woche darüber berichtet, dass die ÖVP aktiv versucht, dieses Ziel zu blockieren (Narodoslawsky 2025a), die österreichische Regierung darüber aber nicht einig ist. Über die Konflikte auf der europäischen Ebene gibt es einen ausführlichen Artikel im Guardian (Harvey 2025). Macron und Merz spielen hier unrühmliche Rollen und setzen dabei offenbar auch auf den Antieuropäer Orbán.

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In seinem gestrigen Daily Briefing weist Carbon Brief auf eine neue Studie hin, in der zum ersten Mal eine globale Grenze für die Speicherung von CO2 in geologischen Lagerstätten angegeben wird (Gidden et al. 2025). Es geht um den Storage-Teil dessen, was meist als Carbon Capture and Storage bezeichnet wird. Carbon Brief zitiert einen Bloomberg-Artikel über die Studie (Mazneva 2025); die BBC hat eine gute, frei zugängliche Zusammenfassung veröffentlicht (Willmoth 2025). Die Studie selbst – ich habe gerade in sie hineingelesen – ist verständlich und prägnant formuliert, diskutiert viele Aspekte von CCS und fasst Daten zum aktuellen Stand der Verwendung von CCS zusammen.

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Ich habe heute drei neuere Artikel von Helen Thompson gelesen: über die zweite Amtszeit Trumps (2025b), über Chinas Vorherrschaft bei seltenen Erden (2025c) und über den Niedergang der europäischen Auto-Industrie (2025a). In den drei Texten analysiert sie die aktuelle amerikanische und europäische Politik. Sie stellt dar, wie die Agierenden durch Zwänge, durch constraints bestimmt werden: durch constraints aufgrund der Verfügbarkeit von Ressourcen (fossile und erneuerbare Energien, seltene Erden), duch finanzielle constraints (Verschuldung der USA) und – in Verbindung mit diesen constraints – durch geopolitische Zwänge.

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Gerald Winter-Pölsler schreibt in der Kleinen Zeitung darüber, wie gut es dem Flughafen Graz geht (Winter-Pölsler, 2025). In der Stadt wird darüber nachgedacht, einen Teil an das Land zu verkaufen – offenbar um die finanzielle Lage der Stadt zu verbessern. Die Emissionen des Flughafens werden nicht erwähnt. Den Flughafen zu kritisieren bleibt in Graz ein Tabu. Mein Eindruck ist, dass da die Kommunisten und die ÖVP einer Meinung sind. Die Grünen trauen sich nicht zu widersprechen

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Endlich habe ich auch meinen WhatsApp-Account gelöscht. Hier die letzte Nachricht an meine Kontakte dort:

Liebe Freunde und Kontakte!

Dies ist meine letzte Botschaft auf Whatsapp. Ich werde meinen Account dort löschen, wenn ich sie abgeschickt habe. Es ist der letzte Meta-Account, den ich noch besitzte – meine Accounts bei Facebook und Instagram habe ich schon länger gelöscht.

Der letzten Anstoß dafür, WhatsApp endlich zu verlassen, war ein Post auf Mastodon, das zusammenfasst, was Meta über seine Nutzer:innen weiss, und was gegen jede und jeden verwendet werden kann: https://mstdn.ca/@Linux/114899148717382605

Das Post allein ist keine ausreichende Quelle, aber es formuliert sehr gut, was sich auch aus vielen anderen Quellen entnehmen lässt.

Ich war hier gerne mit euch in Kontakt – deshalb habe ich diesen Account nicht schon eher gelöscht. Ich lösche ihn vor allem , weil Meta eine Gefahr für die Demokratie ist. Der Konzern arbeitet eng mit der Trump-Regierung zusammen und unterstützt sie bei der Manipulation der Öffentlichkeit. Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass er die Informationen, die er uns besitzt, der amerikanischen und anderen autoritären Regierungen zur Verfügung stellt oder stellen würde, wenn er dazu gedrängt wird. Wenn wir ihn nicht boykottieren, gefährden wir uns und vor allem andere.

Wir arbeiten außerem mit an dem Eindruck, gegen Unternehmen wie Facebook und Google gäbe es keine Mittel. Dieser falsche Eindruck ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass sie ihre Macht behalten und ausweiten.

Ich habe mich immer darum bemüht, nicht auf Alarmismus hereinzufallen und trotz aller Skepsis Online-Tools wie WhatsApp pragmatisch zu verwenden. Dieser Pragmatismus ist aber naiv, wenn offensicht wird, dass die Konzerne, die diese Tools kontrollieren, eine autoritäre Regierung unterstützen und sich – wie diese Regierung – selbst an keine Regel gebunden fühlen. Aus diesen Gründen lösche ich auch meinen Google-Account.

Ich hoffe, dass wir trotzdem in Verbindung bleiben. Ich bin via Signal und via Mail erreichbar, außerdem über Mastodon (@heinz@graz.social) und über mein Blog (https://wittenbrink.net), das ihr auch als Newsletter abonnieren könnt.

Danke für alle eure Nachrichten und hoffentlich bald auf einem anderen Kanal!

Heinz

Eisenbeton-Ausstellung im Wien Museum. Foto: Klaus Pichler

Im Wien Museum ist gerade die Ausstellung Eisenbeton. Anatomie einer Metropole zu sehen. Thema sind Stahlbeton- oder Eisenbeton-Skelettbauten1 der frühen Wiener Moderne. Am vorletzten Sonntag haben Ana und ich die Ausstellung besucht. Ich habe den Besuch mit dem Material, das ich online dazu gefunden habe (u.a. einem Podcast mit den Ausstellungsmacher:innen, Karr, 2025) und mit dem ausgezeichneten, umfassenden Ausstellungskatalog nachbereitet (Kapfinger, 2025a). Mich interessiert, wie die Ausstellung vor dem Hintergrund der Theorien des sozialen Metabolismus zu verstehen ist, mit denen ich mich seit einiger Zeit beschäftige. Kann man – und wie kann man – eine Verbindung zwischen dem lokalen Prozess des Durchbruchs des Eisenbeton-Baus in Wien und dem globalen Übergang vom agrarischen zum fossil-industriellen Metabolismus herstellen? Und lässt sich die hochkultivierte, über Jahrzehnte in Wien entwickelte Herangehensweise an die Baugeschichte der Stadt, wie sie in dieser Ausstellung und ihrem Katalog zum Ausdruck kommt, mit den Perspektiven verbinden, für die das Wiener Institut für Soziale Ökologie eine internationale Vorreiter-Rolle spielt?

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