Der japanische Philosoph Kojin Karatani hat eine Theorie der Formen des Austauschs in menschlichen Gesellschaften oder „Tauschmodi“ entwickelt, als Weiterentwicklung und als Alternative zu marxistischen Theorien der Entwicklung der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse. Ich lerne diese komplexe Theorie gerade kennen. Der vierte von Karatanis Tauschmodi, der „Modus D“, interessiert mich als mögliche Leitlinie für eine konsequente ökologische Transformation.

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Notizen zu Texten von Quinn Slobodian und Bruno Latour

Saudi-Arabien als Vorbild

Durch einen Essay bin ich auf Quinn Slobodian aufmerksam geworden. In Does Trump Want America to Look More Like Saudi Arabia? (2025) stellt er dar, wie sehr Donald Trump Saudi-Arabien verehrt und wie eng Trumps Beziehungen dorthin sind. Slobodians These, die ich zuerst als nur ironisch missverstanden habe, ist: Wenn man ein Vorbild dafür sucht, wie Trump die USA umgestalten will, ist Saudi-Arabien wichtiger als die Faschismen der 20er und 30er Jahre. Die fossilen Größenphantasien Trumps (Slobodian nennt es nicht so; sein Fokus ist hier nicht die Klimaproblematik) gleichen denen des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman.

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Ich habe mich in dieser Woche weiter mit Éric Pineaults A Social Ecology of Capital (2023) beschäftigt und einige Texte gelesen, die Pineault während der Entstehung dieses Buchs publiziert hat. Sie machen für mich die Probleme deutlicher, mit denen sich Pineault in seinem Buch auseinandergesetzt hat (2016, 2018a, 2018b). Bei der Lektüre suche ich immer noch nach Antworten auf die Fragen, durch die ich auf Pineaults Buch gestoßen bin: Wie ist das exponentielle Wachstum zu erklären, das zur großen Beschleunigung (Steffen et al., 2015) und damit zum Klimanotstand und zur Überschreitung der Planetaren Grenzen geführt hat? Welche Gesellschafts-, Wirtschafts- oder Kapitalismustheorie kann diesen Zusammenhang erklären? Aus welcher Erklärung lassen sich Schlussfolgerungen für ein Engagement gegen das Fortschreiten der Klimakrise (und der mit ihr verbundenen Krisen) ableiten?

Ich habe schon zweimal über Pineaults Buch gebloggt (hier und hier). Erst danach ist mir klar geworden, dass ich ein zentrales Element von Pineaults Analyse des exponentiellen Wachstums des fortgeschrittenen Kapitalismus nicht verstanden hatte. Ich versuche hier zu formulieren, wie ich seine Argumentation jetzt begreife. Sie baut auf sehr viel Literatur auf (die ich zum Teil jetzt gerade durch Pineault kennenlerne) und ist dicht mit anderen Argumentationssträngen des Buchs vernetzt.

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Ich bin auf der Suche nach Einführungen und Zusammenfassungen, die den Zugang zu Éric Pineaults Buch „A Social Ecology of Capital“ (Pineault, 2023a) erleichtern, über das ich neulich gebloggt habe.

Eine niederschwellige kurze Einführung in sein Buch hat Pineault in einem Vortrag gegeben, den man sich auf YouTube anschauen kann (Pineault, 2023b).

Dieser Vortrag zeigt sehr gut seinen Ansatz, wirtschaftliche Prozesse als materielle Phänomene zu analysieren, die von Institutionen gesteuert werden.

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Cover The Brutalist

Am letzten Wochenende habe ich The Brutalist gesehen. Der Film hat mich vom Beginn – der Ankunft des Helden in New York – bis zum Ende – der Ehrung des inzwischen berühmten und todkranken Architekten László Tóth in Venedig – fasziniert.

Einige Elemente dieser Geschichte haben mich an die Familiengeschichte einer tschechischen Freundin erinnert, deren Eltern die Naziherrschaft in Theresienstadt und im Maquis bei den französischen Partisanen überlebten, sich dann in Prag wiedertrafen und 1968 nach Deutschland emigrierten. Das Familienfoto Tóths, dass in der Pause zwischen dem ersten und zweiten Teil des Films gezeigt wurde, ähnelte einem Foto in der Küche meiner Freundin. Die Widersprüchlichkeit der Person Tóths und die – oft grausame – Absurdität der Situationen, in die er im Lauf des Films gerät, sind Reflexe der Erniedrigung und Ermordung der Juden, die den erst am Ende benannten Hintergrund des Films bildet.

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Ich habe ein paar Tage fast stündlich auf News-Seiten nachgesehen, wie es um die Koalitionsgespräche in Österreich steht. Ich war, wie fast alle in meinem Umfeld, erleichtert, als das Aus für Schwarzblau endlich feststand. Wieder einmal hat Österreich knapp vor dem Abgrund eine Kurve genommen – ähnlich wie beim Sieg van der Bellens über Hofer. Mit Kickls Scheitern hat der für Demokratie und Klimaschutz gefährlichste evil actor in Österreich an Einfluss verloren.

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Der reichste Mann der Welt Elon Musk lässt eine Truppe von Rowdies in das Hauptquartier der amerikanischen Behörde für Ozeane und Atmosphäre NOAA eindringen (Sainato, 2025). Ziel ist, wie die Aktivistin Gretchen Gehrke es ausdrückt, soviel zu zerstören wie möglich, bevor Gerichte die Administration stoppen können (Milman et al., 2025). Musk hat nicht nur den römischen Gruß übernommen (Bennhold, 2025). Er kommandiert jetzt eine Truppe, die mit adaptierten SA-Methoden die Mitarbeiterinnen einer Behörde terrorisiert, die Daten und Informationen zur Klimakrise und ihren Folgen zugänglich macht.

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Cover von Éric Pineault, A Social Ecology of Capital
Cover von Éric Pineault, A Social Ecology of Capital

Seit einigen Wochen beschäftige ich mich mit Éric Pineaults Buch „A Social Ecology of Capital“ (Pineault, 2023). Ich suche – und finde – bei Pineault Antworten auf Fragen, die ich schon lange habe: Wie hängt das Funktionieren der Wirtschaft mit der Überschreitung der planetaren Grenzen und den ökologisch-sozialen Krisen zusammen, die sich aus dieser Überschreitung ergeben? Warum haben Klimawissenschaft, Klimabewegung und Klimapolitik nur minimale Erfolge gegen die globale Erhitzung erzielt? Warum setzt sich die fossile Expansion fast ungebremst fort, und warum gelingt es reaktionären Politikern in den USA, Russland und Europa, sie sogar noch zu beschleunigen? Und: Welcher Kapitalismusbegriff hilft dabei, die Ursachen für diese Prozesse und Niederlagen zu verstehen und sich gegen sie zu engagieren? In welchen Beziehungen stehen Wirtschaftskonzepte aus marxistischen und nichtmarxistischen Traditionen zur ökologischen Ökonomie? Wie zwingend ist die Forderung nach Degrowth als Antwort auf die Klimakatastrophe und die übrigen sozial-ökologischen Krisen?

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